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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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Schienbein trat und davonlief. Ich kam nur ein paar Schritte weit, dann hatte er mich schon gepackt und zerrte mir meinen Arm auf den Rücken, so brutal, als wolle er meine Schulter ausrenken. Der Schmerz explodierte in meinem Kopf. Ich hörte mich schreien, laut und schrill, und dann hörte ich etwas anderes, hörte plötzlich Auroras Stimme.
    »Tu ihr nicht weh!«, befahl sie fest … und kalt.
    Überrascht ließ Lukas mich los und fuhr herum, starrte Aurora nicht minder fassungslos an wie ich. Sie war uns völlig lautlos gefolgt, stand nicht weit von uns entfernt und hob abwehrend die Hände.
    »Tu ihr nicht weh!«, wiederholte sie.
    »Was machst du hier?« Diese Frage entfuhr mir und Lukas gleichzeitig. Lukas schien verärgert, ich hingegen war entsetzt. Die Angst um mein eigenes Leben und vor dem Ertrinken wurde bedeutungslos. Einzig Aurora zählte. Wie hatten Caspar und Nathan nur zulassen können, dass sie uns folgte?
    »Verschwinde!«
    Wieder sprachen Lukas und ich wie aus einem Mund, doch Aurora rührte sich nicht.
    Mein entsetzter Blick wandelte sich in einen ungläubigen. Das Mädchen vor mir war meine Tochter – und doch wieder nicht.
    »Aurora …«
    Anders als ich hatte Lukas seine Fassung wiedergefunden. Erneut spürte ich die kalte Klinge des Messers an meiner Kehle. Das Glühen von Auroras Augen schien ihm gar nicht aufzufallen, als er sie anherrschte: »Wenn du auch sterben willst – ich halte dich nicht auf. Caspar und Nathan werden untröstlich sein. Allerdings werden sie nicht mehr lange genug leben, um dich zu betrauern. Sie werden beide in der Schlacht fallen.«
    Er machte eine blitzschnelle Bewegung, und ich glaubte schon zu fühlen, wie die Klinge in meine Haut schnitt, doch stattdessen stieß er mich unsanft zur Seite. Ich fiel gegen die Wand, mein Kopf prallte gegen den harten Stein. Kurz zerstob das Bild vor mir in lauter kleine Funken – und als es sich wieder klärte, erstarrte ich.
    Lukas war mit dem Messer auf Aurora losgegangen, hatte sie gepackt und hielt ihr nun die Waffe drohend vors Gesicht.
    »Rühr dich nicht vom Fleck!«, herrschte er mich an.
    Ich ließ mich gegen die Wand sinken, traute mich kaum zu atmen.
    »Bitte …«, stammelte ich, »lass sie gehen … tu ihr nichts … denk an Mia!«
    Lukas’ Gesichtsausdruck blieb fremd und hart. Die Worte schienen an ihm abzuprallen, und auch Aurora zeigte keinerlei Gefühle: Ihre Züge waren zur starren Maske gefroren, das Glühen der Augen schien zu erkalten.
    »Bitte …«, stammelte ich wieder.
    »Halt deinen Mund!«, herrschte Lukas mich an. Während er mit der einen Hand weiterhin das Messer dicht vor Auroras Kehle hielt, griff er mit der anderen in seine Hosentasche. Bis jetzt hatte ich gedacht, dass von seinem Messer die größte Gefahr ausging – jetzt begriff ich, dass er uns damit nur in Schach halten wollte, bis er noch mehr Sprengmaterial am ohnehin schon beschädigten Rohr befestigen konnte. Dann würde es ein Leichtes sein, eine Explosion auszulösen und Wasserfluten auf uns herabstürzen zu lassen.
    Erst jetzt begriff ich, wie weit seine Rachegelüste gingen: Er würde nicht nur Aurora und mich töten, ohne mit der Wimper zu zucken – er nahm auch den eigenen Tod in Kauf.
    Hilflos rang ich meine Arme, wagte aber nicht, ihn noch einmal anzusprechen.
    Doch da hörte ich unerwartet Auroras Stimme.
    »Tu das nicht!«, sagte sie. Das war kein Flehen, kein Bitten, kein Hoffen auf Gnade. Das war einfach nur ein Befehl. Schlicht. Knapp. Hart. Ich vermeinte, diese Worte nicht nur zu hören, sondern auch zu fühlen. Sie gingen durch und durch wie das blaue Licht, das aus ihren Augen strahlte. Sämtliche Muskeln schienen sich zu erweichen, sämtliche Anspannung zu erschlaffen.
    »Tu das nicht!«, wiederholte sie, nicht einfach nur fordernd, nicht einfach nur energisch … sondern machtvoll. Ja, sie besaß Macht, große Macht, über meine Regungen, aber auch über die von Lukas, der plötzlich irritiert innehielt – eine Macht, die so viel älter war als sie, die Macht einer außergewöhnlichen Nephila.
    Unscharf erinnerte ich mich daran, was Caspar mir über die drei Sphären erzählt hatte.
    Es gibt Nephilim, die mächtiger sind als die Alten.
    Lukas’ Verwirrung währte nicht lange. Kaum dass Aurora wieder schwieg, gewann er seine Fassung wieder, lachte trocken auf und kramte weiter in seiner Hosentasche. Offenbar fand er nicht gleich, was er suchte, weswegen er Aurora unwirsch in meine Richtung schubste. Sie

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