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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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nur zögerlich tat, klang der Laut in dieser Stille wie Donner.
    Keine Reaktion.
    Ich schob die Tür mit meiner Zehenspitze auf, so vorsichtig, als könnte eine falsche Bewegung dazu führen, dass ich mich entweder verbrannte oder erfror. Ja, es war irrational, aber genau dieser Gefühl wurde immer stärker: Ein falscher Schritt, eine falsche Bewegung, ein falsches Wort – und ich würde zu Asche zerfallen.
    Unsinn!, sagte ich mir. Ich war nicht zum ersten Mal hier. Meinen damaligen … Besuch bei Caspar von Kranichstein hatte ich schließlich auch heil überstanden. Ich hatte vor ihm fliehen können, hatte mich nicht von seiner Macht einnehmen lassen.
    Als ich die Türschwelle überschritt, erwartete ich, dass die Erinnerungen übermächtig wurden, aber da mich Caspar damals betäubt hatte und ich erst in seinem Wohnzimmer wieder zu mir gekommen war, war mir die Eingangshalle fremd. Sie war groß, nahezu riesig und strahlte keinerlei Wärme aus. Der marmorne Boden war sicher sündhaft teuer gewesen, aber kalt; die schwarzen Skulpturen, die den Weg zur Treppe säumten, zwar kunstvoll gestaltet, aber alles andere als schön. Was sie genau darstellen sollten, konnte ich nicht so recht erkennen, vielleicht absonderliche Pflanzen, vielleicht exotische Tiere, vielleicht gekrümmte Gestalten. Meine Schritte hallten auf dem Boden wider, doch mein Unbehagen ließ etwas nach. Der Eingangsbereich wirkte auf mich anonym und glich eher dem eines Museums als dem von Caspar von Kranichsteins einstigem Zuhause. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass er hier gelebt hatte, hätte ich daran gezweifelt. Nichts war hier von seiner früheren Präsenz, erregend und betäubend zugleich, zu spüren. Und nichts deutete darauf hin, dass er noch lebte und hierher zurückgekehrt war.
    Damit war aber weiterhin ungeklärt, wer am Fenster gestanden hatte, wer die Haustüre hinter sich nicht geschlossen, sondern nur angelehnt und wer meinen Namen geraunt hatte.
    »Hallo?«, rief ich.
    Meine Stimme klang erstaunlich fest. Auch wenn ich hier nichts anderes machen konnte, als von Raum zu Raum zu gehen und immer wieder zu rufen – zumindest war ich nicht mehr zur Untätigkeit und zum stupiden Warten verdammt.
    Ich öffnete eine Tür nach der anderen, entfernte mich so immer weiter von der Eingangshalle, wappnete mich davor, im vertrauten Wohnzimmer zu landen, und war jedes Mal erleichtert, in einen fremd anmutenden sterilen Raum zu geraten. Trotz meiner Anspannung erwachte auch meine Neugierde.
    Wer die Nephilim waren, wie sie lebten, ja, wie Caspar von Kranichstein gelebt hatte, war in den letzten Jahren ein Tabuthema gewesen, das Nathan und ich immer umschifft hatten – und Nathan selbst hatte versucht, sämtliche Eigenheiten, die ihn von den Menschen unterschieden, zu verbergen. Wie sie ihren Alltag gestalteten, wie sie mit ihresgleichen umgingen, hatte ich nie hinterfragt. Ich wollte sie vergessen – vor allem Caspar von Kranichstein.
    Nun konnte ich gar nicht anders, als über ihn nachzudenken, mir in Erinnerung zu rufen, was ich von ihm wusste. Ohne Zweifel war er grausam, aber auf eine selbstbeherrschte Art. Er war keiner, der schrie und tobte, der seine Gefühle laut und offen zeigte, und das schien sich in dieser zwar edlen, aber schlichten, teuren, aber unaufdringlichen Einrichtung zu spiegeln. Sie waren perfekt aufeinander abgestimmt – die Stühle und Tische, die Bücherregale und Spiegel, die Lampen und die Vasen –, doch gerade aufgrund dieser Perfektion und nicht zuletzt wegen des Fehlens jeglicher persönlicher Gegenstände glichen die einzelnen Räume den Ausstellungshallen eines Möbelhauses. An den Kleiderhaken hing keine Kleidung, in den Vasen dufteten keine Blumen, in den Regalen standen keine Fotos von lieben Menschen. Selbst die Bücher in der Bibliothek schienen nicht nach persönlichen Vorlieben ausgewählt worden zu sein. Es waren vor allem Lexika, Biographien und Bildbände, keine Romane; sie standen alphabetisch geordnet in den Regalen und wirkten so unberührt, als hätte niemand je darin gelesen.
    Die meisten Möbel waren schwarz und weiß, nur einige ausgewählte Gemälde an den Wänden zeigten etwas Farbe. Und dennoch – ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass sie die meiste Zeit missachtet worden waren. Ja, man hatte ihnen den teuersten und schönsten Rahmen gegeben – aber hatte hier jemals einer davorgestanden, um sie interessiert zu betrachten?
    Als ich weiter von Raum zu Raum ging, wurde mir immer

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