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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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zum Zerreißen gespannt.
    »Stell dich nicht dümmer, als du bist, Sophie!«, kam es verächtlich. »Nathan hat es dir damals doch sicher erzählt: dass die meisten Menschen nichts von uns wissen, aber dass einige von ihnen uns begegnet sind und mehr über uns erfahren haben. Und das fand seinen Niederschlag in Legenden, in Mythen, in Märchen. Von verschiedenen Gestalten ist da die Rede – von Elfen, von Vampiren, von Werwölfen, von Zwergen und Riesen … Nun, und welchen Gestalten sind wir wohl am ähnlichsten? Welche Geschichten verraten am meisten über uns?«
    Ich zögerte, und wieder verdrehte er die Augen.
    »Engel«, stieß ich schließlich aus, »ihr stammt von gefallenen Engeln ab …«
    »Richtig«, er nickte grimmig, »die Engel. Damit hättest du dich beschäftigen können. Wenn du es getan hättest, hättest du zwar nicht alles über uns erfahren, aber doch einiges mehr. Du würdest jetzt nicht völlig im Dunkeln tappen.«
    »Was … was hätte ich erfahren?«
    »Sind etwa alle Engel gleich?«, gab er zurück. »Haben sie dieselben Fähigkeiten? Die gleiche Macht?«
    Ich zuckte mit den Schulter. »Es gibt Erzengel … und Engel …«
    »Mein Gott, wie erbärmlich!«, stieß er aus.
    Erst jetzt bemerkte ich, dass ich wieder unwillkürlich meine Hand auf seine Brust gelegt hatte, um ihn davon abzuhalten, fortzugehen. Rasch zog ich sie zurück. Die Hand fühlte sich an, als wäre sie eingeschlafen, die Finger waren vor Kälte ganz taub.
    »Sag es mir! Sag mir, was du weißt, damit ich Aurora finden kann!«
    »Ach, jetzt plötzlich geht es dir um Aurora!«
    »Es ist mir immer nur um sie gegangen!«
    »Und warum hast du dann einfach die Macht ignoriert, die in ihr schlummert?«
    Er schrie mich beinahe an. Sein Gesicht kam dabei ganz nahe an meines heran. Plötzlich fuhren seine Hände hoch, packten mich an den Schultern, rüttelten mich – zumindest fühlte es sich so an. Vielleicht kam das Beben nicht von ihm, sondern von mir. Es war, als ginge ein Stromschlag durch meinen Körper – aber auch durch seinen. Hastig ließ er mich los, fuhr ruckartig zurück.
    »Caspar …«
    Da öffnete er den Mund, begann etwas zu raunen, etwas, was ich zunächst nicht verstand. Doch als er es wiederholte, glaubte ich einzelne Namen herauszuhören.
Akibeel, Ramuel, Ezeqeel, Sartael, Asael, Anani …
    »Wer … wer ist das? Sind das die Alten?«
    Als Antwort kam nur ein Schulterzucken.
    »Wer von ihnen hat Aurora entführt? Was werden sie mit ihr tun? Wenn sie über solch große, außergewöhnliche Macht verfügt, werden sie ihr doch kein Leid zufügen, nicht wahr?«
    Er atmete schwer. Es schien, dass es ihm nicht minder zugesetzt hatte, mich zu berühren, wie auch mir diese Berührung fast unerträglich gewesen war. »Ich glaube nicht, dass ihr irgendjemand ein Leid zufügen kann«, sagte er. »Das kann nur sie selbst tun.« Er zögerte kurz. »Und vielleicht ist das die größte Gefahr.«
    Aurora redete auf Mia ein. Es hatte keinen Sinn, dass sie sich ihr näherte, denn sie wich stets angstvoll vor ihr zurück. Aber je länger sie mit ihr sprach, desto ruhiger wurde Mia, was weniger an ihren Worten als vielmehr an ihrer rauen Stimme lag. Irgendwann war der in die Ecke gepresste Körper nicht mehr ganz so verkrampft, das Gesicht nicht mehr ganz so bleich, und schließlich wagte Mia, die bis jetzt Auroras Blick ausgewichen war, sie anzusehen und zu fragen: »Haben sie dir etwas gegeben?«
    Aurora blickte sie zunächst verständnislos an, begriff dann aber, was sie meinte: Offenbar wollte Mia wissen, ob die dunklen Männer ihr gewaltsam irgendwelche Drogen eingeflößt hatten und sie sich deswegen so merkwürdig verhalten hatte.
    Aurora zuckte mit den Schultern. »Vielleicht«, murmelte sie ausweichend.
    Mia stand langsam auf. »Aber jetzt hat die Wirkung nachgelassen?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    Wieder zuckte Aurora mit den Schultern. Es schien, als hätte sie die Macht vorerst unter Kontrolle – aber sie war nicht sicher, wie lange das andauern würde. »Fürs Erste …«, sagte sie knapp.
    Mia trat auf sie zu. Aurora sah, dass ihre Augen rot verweint waren und dass sie vor Kälte schlotterte.
    Hastig schlüpfte sie aus ihrer Jacke. Kälte war ihr geringstes Problem. Genaugenommen fühlte sie dergleichen gar nicht. »Hier, die kannst du haben …«
    »Aber …«
    »Ich brauche sie nicht.«
    Mias Blick wurde wieder misstrauisch, aber dann überwog das Bedürfnis, sich zu wärmen. Nachdem sie die Jacke

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