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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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angezogen hatte, blickte sie sich suchend im Raum um. »Und ich habe Durst«, murmelte sie mit jämmerlicher Stimme.
    Aurora deutete hinter sich, ohne sich umzudrehen. »Der Neph … der Mann hat vorhin etwas zu essen mitgebracht.« Sie hatte es nicht gesehen – und dennoch wusste sie es. Und tatsächlich hörte sie Mia bald erleichtert aufatmen, als sie in die Richtung stürzte, in die Aurora gedeutet hatte. Ein kleiner Korb stand dort, in dem sich eine Wasserflasche und ein paar Brote befanden. Hastig öffnete Mia die Flasche und trank gierig.
    »Wie in früheren Zeiten«, stellte sie danach fest, »da wurden Gefangene auch bei Wasser und Brot gehalten …« Ihre Stimme klang nicht mehr ganz so verzweifelt, sondern fast ein bisschen spöttisch.
    Als Mia ihr die Wasserflasche hinhielt, wich Aurora instinktiv zurück. Nur mit Mühe konnte sie sich überwinden, sie schließlich doch entgegenzunehmen, um Mia nicht zu beunruhigen. Als sie am Wasser nippte, schmeckte es schal. Allein beim Anblick der Brote, die Mia in sich hineinschlang, wurde ihr ganz flau im Magen.
    »Und jetzt?«, fragte Mia, als sie satt war.
    Nachdenklich hatte Aurora begonnen, auf und ab zu gehen.
    Überlege dir, was du willst … Konzentrier dich auf dein Ziel …
    »Wir müssen irgendwie hier raus!«, verkündete sie.
    »Wir wissen nicht einmal, wo wir sind!«, entgegnete Mia entsetzt. »Und dieser Mann, der vorhin hier war … er ist nicht allein. Ich glaube, es waren fünf oder sechs, die uns entführt haben, ich habe sie gesehen. Und die Tür … sie ist sicher abgesperrt. Wir müssen warten, bis …«
    »Nein, wir müssen raus«, unterbrach Aurora sie schroff. Während Mia gegessen hatte, hatte Aurora sich von ihr abgewandt, nun sah sie ihr starr ins Gesicht. Prompt senkte Mia den Blick.
    »Aurora, was ist mit deinen Augen?«
    Aurora war nicht sicher, was sie meinte – das blaue Leuchten, das von ihren Augen ausging, oder einfach nur die Macht, die in ihrem Blick lag.
    »Der Neph … der Mann, der das Essen gebracht hat, ist irgendwo da draußen«, erklärte sie rasch, ohne auf Mias Frage einzugehen. »Wir müssen nach ihm rufen, ihn irgendwie hierherlocken. Vielleicht kann ich ihn überwältigen …«
    Mia lachte auf. »Du?«, rief sie ungläubig. Sie schien nicht länger von Auroras Blick irritiert, sondern hatte jetzt die Ungeschicklichkeit der Freundin, die nicht jonglieren oder auf Bäume klettern konnte, vor Augen. Aber als Aurora sie weiterhin unverwandt anstarrte, senkte sie rasch wieder den Kopf.
    »Wie … wie willst du das anstellen?«, stotterte sie.
    Ein unangenehmes Kribbeln überzog Auroras Arme. Am liebsten hätte sie zugegeben, dass sie das auch noch nicht wusste. Stattdessen erklärte sie entschlossen: »Lass das nur meine Sorge sein.«
    Ich muss wissen, was ich will, dachte sie, ich muss mich ganz fest darauf konzentrieren, und jetzt will ich hier raus …
    Das Kribbeln ließ nach, doch stattdessen fühlten sich nun ihre Knie weich an. Als sie vorhin durch den Raum gehastet war, hatte sie so viel Kraft in sich gespürt, dass sie überzeugt gewesen war, sie könnte die Mauern einreißen, wenn sie es denn nur wollte. Nun war sie sich nicht einmal sicher, ob sie die Stahltür öffnen konnte. Vielleicht könnte es gelingen, wenn sie sich ganz dieser Macht hingab … aber das würde bedeuten, die Kontrolle aufzugeben …
    Nein, es musste anders gehen.
    »Also, was willst du nun tun?«, fragte Mia, der ihr Zögern nicht entgangen war.
    Aurora überlegte kurz und deutete dann wieder in die Ecke, in die sich Mia vorhin angsterfüllt gepresst hatte. »Ich will, dass du dich auf den Boden legst.«
    »Ich soll was?«
    »Tu es einfach!«
    Mit knappen Worten erläuterte sie Mia dann den ganzen Plan. Mias Ausdruck blieb skeptisch, aber ob es nun ihre entschiedene Stimme war, die sie dazu bewog, oder der Blick ihrer blauen Augen – am Ende fügte sie sich. Wenig später legte sie sich tatsächlich auf den Boden, wie Aurora es ihr befohlen hatte, und begann sich zu krümmen und zu stöhnen. Zunächst war dieses Schauspiel alles andere als überzeugend, aber als sie schließlich kläglich um Hilfe schrie, machte sie tatsächlich den Eindruck, sie würde von schlimmen Schmerzen gebeutelt werden. Ihre Stimme klang etwas unnatürlich, aber die Panik, die darin lag, war nicht gespielt.
    Aurora lauschte aufmerksam. Zunächst war bis auf Mias Schreien nichts zu hören, und sie fürchtete schon, dass die Wände zu dick waren, als

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