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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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ich immer noch den Eindruck, dass mir die wichtigste Information fehlte, ein letzter Puzzlestein, der endgültig Licht ins Dunkel bringen würde.
    Caspars Worte echoten in meinen Ohren.
    Eine Hierarchie … Sphären … die Weisen und die Alten … die Erzengel und die Fürsten …
    Gewiss hatte mir Caspar all das nicht grundlos erklärt. Er musste wissen … oder zumindest ahnen, dass alle rätselhaften Vorfälle mit dieser Hierarchie zu tun hatten.
    Als ich endlich wieder aufblicke, war Caspar verschwunden. Obwohl ich den Eindruck hatte, gleich viel freier atmen zu können, erschreckte mich das – ich brauchte ihn noch!
    »Caspar!«
    Ich lauschte, blickte in sämtliche Richtungen, glaubte endlich etwas Schwarzes zu sehen. Ich folgte ihm rasch. Die Bäume standen hier so dicht nebeneinander, dass ich mehrmals hängen blieb. Feuchte Blätter klatschten mir ins Gesicht.
    »Caspar!«
    Ich zwängte mich an weiteren Bäumen vorbei, erreichte schließlich eine Lichtung. Er war dort stehen geblieben, hielt sein Gesicht ins fahle Licht, als wollte er prüfen, ob er die Wärme noch genießen konnte.
    »Warum hast du mir das alles erzählt?«, fragte ich. »Und was sollen wir jetzt tun?«
    Er hielt seine Augen geschlossen, und ich dachte schon, er hätte mich nicht gehört, doch ehe ich die Frage wiederholen konnte, gab er – ohne darauf einzugehen – zurück: »Was ist eigentlich genau passiert, bevor Nathan verschwunden ist?«
    Wieder fuhr der Wind in seinen Mantel, kurz sah er aus wie ein schwarzer Flügel, der nach mir zu greifen drohte. Ich versuchte, ihn zu ignorieren.
    »Es … es fing alles damit an, dass ich dich in deiner Villa gesehen habe«, setzte ich zögerlich an.
    »Was genau hast du gesehen?«
    »Nun, einen Mann, der am Fenster stand. Mit einem dunklen Mantel. Und schwarzen Haaren.«
    Und schwarzen Augen, setzte ich nur im Stillen hinzu, mit einem durchdringenden, bösartigen, spöttischen Blick …
    »Nathan wollte es später nicht glauben – er hat versucht, mir einzureden, dass ich einen Immobilienmakler gesehen hätte.«
    »Hat Nathan diesen dunklen Mann auch gesehen?«, fragte er und wirkte plötzlich sehr angespannt.
    Ich schüttelte den Kopf. »Er nicht. Aber Samuel Orqual. Er ist der Großvater von einem Jungen, dem ich Klavierunterricht gebe. Er sitzt seit Jahren im Rollstuhl, er hatte mehrere Schlaganfälle und scheint für gewöhnlich völlig weggetreten. Doch an diesem Tag … da ist plötzlich ein Ruck durch seinen Körper gegangen und er hat panisch hochgestarrt zu dieser schwarzen Gestalt.«
    Er ging nicht auf meine Worte ein. »Und wie hast du mich auf der Lodge gefunden?«
    »Nun, wegen des Buchs. Du hast es in deinem Wohnzimmer zurückgelassen, nicht wahr?«
    »Welches Buch?«
    »Welches wohl? Das Buch über die Gletscher und den Dachstein. Zwischen den Seiten lag der Prospekt der Lodge.«
    Abrupt wandte er sich ab, ging wieder ein paar Schritte, bis er die Lichtung verlassen hatte, diesmal etwas langsamer und mit nachdenklich gesenktem Kopf. »Ich soll also in der Villa gewesen sein und dir einen Hinweis auf meinen Aufenthaltsort hinterlassen haben.«
    »Du hast doch vorhin gesagt, dass du einmal in unserer Nähe gewesen bist …«
    »Gewiss. Aber das ist schon Jahre her. Und ich war damals weder auf meinem Anwesen, noch habe ich dort ein Buch hinterlegt. Oder gar einen Prospekt. Wer immer das getan hat, wer immer diese schwarze Gestalt war …«
    »Du warst es nicht«, schloss ich. »Aber wer …«
    »Was ist passiert, nachdem Nathan verschwunden ist?«, fiel er mir ins Wort. »Hast du da die schwarze Gestalt wiedergesehen?«
    »Nur noch einmal, und außerdem …« Ich hielt inne, glaubte förmlich den Donner zu hören, der von den Bergen hallte.
    Das Gewitter … Marian, der mich vor etwas hatte warnen wollen … den ich nach Hause gebracht hatte … wo sein Großvater von einem Arzt untersucht worden war …
    Jetzt hatte ich Samuel Orquals Gesicht vor Augen, wie er mich zu sich lockte, ähnlich panisch wie in dem Augenblick, als er die dunkle Gestalt gesehen hatte und er irgendetwas gemurmelt hatte, das wie »holen« klang.
    Hatte er gewusst – genauso wie Marian es gewusst oder zumindest geahnt hatte –, dass jemand Aurora
holen
wollte?
    In all der Aufregung hatte ich nicht mehr an den alten Mann und seinen verstörten Enkelsohn gedacht, doch jetzt begann ich zu laufen – und diesmal nicht, um Caspar zu folgen. Vielmehr drängte ich mich an ihm vorbei. Bald

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