Der Fluch Der Bösen Tat
von deinem Vater, dass ihr euch um mich sorgt. Sag ihm bitte meinen Dank, ja?« Dilys nickte.
»Ich bin dann morgen früh wieder da. Wie immer.« Ruth öffnete den Mund zum Widerspruch, doch dann verlor sie den Mut und sagte nur:
»Ja, Dilys. Wie immer.«
»Am besten schiebst du das Stew direkt in den Ofen.« Sie deutete auf die Kasserolle.
»Mache ich.« Ruth beendete die Serie abendlicher Lügen mit einer weiteren. Es fiel ihr von Mal zu Mal leichter. Dilys ging davon. Als Ruth sicher war, dass Dilys die Church Lane hinter sich gelassen hatte, kehrte sie in die Küche zurück, suchte eine weitere Plastiktüte und kippte das Stew hinein. Die schmutzigbraune Masse, durchsetzt mit gelben Karotten, floss zäh und roch stark nach Zwiebeln und Brühwürfeln. Ruth steckte die Plastiktüte in eine zweite und wickelte alles in Zeitungspapier ein. Sie fürchtete, beobachtet zu werden und dass jemand Dilys informieren könnte, deswegen schaltete sie sämtliche Lichter aus, bevor sie die Hintertür öffnete und nach draußen schlüpfte. Der Garten war in fahles silbernes Mondlicht getaucht. Das Feld dahinter war ein wässriger, glitzernder See. Nur Stovey Woods am Horizont bildete eine bedrohliche dunkle Masse. Ruth ging zur Mülltonne und schob das Päckchen mit dem Stew tief hinein, sodass es unter anderen Hausabfällen verborgen war. Die Tüte mit Hesters Apfelkuchen lag zuoberst und wirkte im Mondlicht verblüffend weiß. In einer Mischung von Abscheu und Angst schob Ruth auch diese Tüte tief unter den anderen Müll, sodass keine der beiden mehr zu sehen war und niemand es jemals erfuhr, nicht Dilys und auch nicht Hester. Dann kehrte Ruth ins Haus zurück und machte sich langsam fertig zum Schlafengehen, während sie überlegte, wie viele Lügen sie wohl noch erzählen würde, bevor diese elende Geschichte vorüber war.
KAPITEL 8
AM NÄCHSTEN MORGEN, einem Freitag, rief Meredith in ihrem Büro im Foreign Office an und erklärte, dass sie nicht zur Arbeit kommen würde.
»Bist du krank?«, erkundigte sich Lionel, der Kollege, der den Anruf entgegengenommen hatte, in seinem vertrauten, nikotinbeladenen Brummton.
»Nein. Ich bin eine wichtige Zeugin in einem Mordfall. Ich muss in der Nähe bleiben, für den Fall, dass die Polizei meine Aussage braucht.« Eine kurze Pause, dann:
»Irgendjemand, den du gekannt hast?« Meredith interpretierte die Frage dahingehend, dass das Opfer gemeint war. In der freien Wirtschaft wäre ihre Begründung für das Fernbleiben von der Arbeit wahrscheinlich mit mehr Skeptizismus, Schock, Aufregung, morbider Neugier und so weiter aufgenommen worden. Lionel hingegen, ein ergrauter Veteran mit einem rastlosen Leben in den Diensten der Regierung Ihrer Majestät, war abgehärtet gegen ungewöhnliche Begebenheiten und Ereignisse wie dieses. Seine erste Reaktion bestand darin, den Grad an Trost zu ermitteln, den Meredith nötig haben würde, gefolgt von einer mentalen Einschätzung der Dinge, die sie zu erledigen hatte, und schließlich, wie viel unausweichlicher Papierkram damit verbunden war.
»Ich kannte die Person nicht, nein. Ich war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.«
»Das ist Pech. Nimm dir so lange Zeit, wie du brauchst. Meld dich wieder, wenn etwas ist.« Mit einem etwas spitzbübischen Unterton erkundigte er sich:
»Brauchst du vielleicht einen guten Leumund?«
»Noch nicht«, antwortete Meredith.
»Aber das kann noch kommen, man weiß nie.« Gegen Ende des Tages begann sie sich zu wünschen, sie wäre nach London gefahren und wäre den Ermittlungen aus dem Weg gegangen. Sie hatte erwartet, dass sie Dave Pearce ihre Aussage geben würde, doch stattdessen fand sie sich in einem beengten Verhörzimmer wieder, zusammen mit einem Sergeant, den sie nur vage kannte. Steve Prescott war ein liebenswürdiger Riese von einem Mann, und er war unnötig häufig mit ihr durch ihre Aussage gegangen, jedenfalls erschien es Meredith so. Seine Erklärung lautete, dass ihr vielleicht noch etwas einfallen würde, was sie beim ersten Mal vergessen hatte. Schließlich war selbst er bereit anzunehmen, dass durch diese Methode nichts Neues mehr aus ihr herauszubringen war. Außerdem wurde die befragte Person zunehmend rebellisch. Er bat Meredith, ihre Unterschrift auf das ausgedruckte Vernehmungsprotokoll zu setzen, und dann durfte sie gehen. Sie war so begierig darauf, endlich nach draußen zu kommen, dass sie kaum Einwände erhob gegen die Art und Weise, wie Prescott einige ihrer Worte
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