Der Fluch Der Bösen Tat
als Vorsteherin einer Kirche, die jemand mit einer so schlimmen Tat entweiht hatte.
»Darüber zerbrechen wir uns später den Kopf, Ruth. Sind Sie allein zu Hause? Ich komme auf dem schnellsten Weg zu Ihnen.«
»Nein!« Sie fürchtete, ihre Stimme könnte zu scharf klingen.
»Danke sehr, James, aber es geht mir gut. Wirklich.« Sie stockte.
»Nein, eigentlich geht es mir überhaupt nicht gut, aber ich schaffe es. Sie wissen, was ich meine. Ich wäre heute Abend lieber allein.«
»Dann komme ich gleich morgen früh.« Seine Stimme klang kompetent und tröstend zugleich.
»Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über die Aktivitäten der Polizei, Ruth. Ich kümmere mich schon darum, wann immer es möglich ist. Sie sollen sich direkt an mich wenden, wenn sie Fragen wegen der Kirche haben. Trotzdem müssen Sie darauf gefasst sein, Fragen zu beantworten, fürchte ich. Die Polizei wird alles über Hester erfahren wollen, was Sie wissen.« Ruth versuchte zu antworten, doch außer einem unterdrückten Schluchzer kam kein Ton über ihre Lippen. Vorsichtig erkundigte sich James Holland:
»Hören Sie, ich mache mir große Sorgen wegen Ihnen, Ruth. Haben Sie etwas gegessen?«
»Ja«, log Ruth. Na ja, es war nicht völlig gelogen. Die beiden Bissen von Hesters Apfelkuchen lagen ihr schwer im Magen. Sie hegte den starken Verdacht, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis sie sich erbrechen würde.
»Nehmen Sie einen Schluck Brandy«, empfahl Reverend Holland. Sie versprach ihm, es zu tun – eine weitere Lüge –, und legte auf. Inzwischen war es beinahe dunkel, und sie schaltete eine Lampe ein, bevor sie zum Fenster ging, um die Vorhänge zu schließen. Die Church Lane draußen war schlecht beleuchtet, und doch schien es Ruth, als bewegte sich etwas drüben auf der anderen Straßenseite, gegenüber The Old Forge, in einer dunklen Nische zwischen zwei Gebäuden. Sie schrak zusammen. Es war nicht nur ihre überdrehte Vorstellung, so viel stand fest. Irgendetwas war dort draußen. Jemand beobachtete das Haus. Ein Polizeibeamter? Der Mörder, mit einem Messer in der Hand? Nein, die Gestalt hatte etwas Vertrautes. Ruths Herz machte einen Satz, als plötzlich Hoffnung in ihr aufkeimte. Sie tat etwas vollkommen Irrationales, dessentwegen sie sich hinterher zutiefst schämte. Sie rannte zur Vordertür, riss sie auf und rief:
»Hester?« Noch als der Name über ihre Lippen kam, wurde sie sich bewusst, wie töricht es war. Es gab keine Geister. Es war kein Geist, der zu ihr gekommen war. Sie riss sich zusammen.
»Wer ist da?«, rief sie.
»Wer ist das?« Die breite Gestalt bewegte sich in lautloser Entschlossenheit auf sie zu. Das Licht einer Straßenlaterne fiel auf ihr Gesicht, und Ruth erkannte Dilys Twelvetrees.
»Oh, Dilys!«, ächzte Ruth, halb erleichtert und halb bestürzt.
»Ich bin vorbeigekommen, um nachzusehen, ob es dir gut geht«, sagte Dilys. Ruth wurde bewusst, dass sie im hell erleuchteten Hauseingang stand, das Licht des Flurs im Rücken. Sie war weithin sichtbar. Unwillig trat sie zur Seite, um Dilys über die Schwelle zu lassen. Als Dilys an ihr vorbeitrat, sah Ruth, dass die Frau eine kleine Kasserolle aus Keramik bei sich trug.
»Ich hab ein wenig Stew mitgebracht«, sagte Dilys.
»Ich dachte mir nämlich, dass du wahrscheinlich noch nichts gegessen hast. Du musst bei Kräften bleiben.«
»Danke sehr«, antwortete Ruth schwach und streckte die Hände aus, um die Kasserolle zu nehmen.
»Ich hab das Haus von vorne beobachtet«, fuhr Dilys fort,
»weil ich nicht sicher war, ob du schon zu Bett gegangen warst. Nirgendwo hat Licht gebrannt. Aber dann hast du das Licht eingeschaltet. Ich bin nicht nach hinten gekommen, weil ich dich nicht erschrecken wollte, aber ich schätze, ich hab dich trotzdem ganz schön erschreckt, wie?«
»Nein, überhaupt nicht«, erwiderte Ruth und sinnierte, dass sie an diesem Abend eine Menge Lügen erzählte. Hatte Dilys ihren verzweifelten Ruf gehört? Ihren Schrei nach einer Freundin, die tot war und sie nicht mehr hören konnte?
»Dad hat gesagt, dass ich vorbeigehen und nach dir sehen soll. Er denkt viel an dich, das tut er. Immerhin bist du die Tochter vom alten Vikar und so.« Sie machte tss-tss.
»Hochwürden Pattinson hätte das alles überhaupt nicht gefallen. Ausgerechnet in seiner Kirche!«
»Niemandem von uns gefällt diese Sache!« Ruth brüllte fast. Sie brachte sich wieder unter Kontrolle und fügte leise hinzu:
»Es ist sehr freundlich von dir, Dilys, und
Weitere Kostenlose Bücher