Der Fluch der bösen Tat
Gläser und hob sein eigenes.
»Worauf trinken wir?«
»Auf gegenseitiges Verstehen«, sagte der Russe.
»Auf den Sieg«, sagte Vuk.
Krawtschow sah den Kommandanten an und leerte sein Glas in einem langen Zug.
» Kurwa! «sagte er. »Das schmeckt gut, richtig gut, aber ohne Salzgurken ist es nicht sehr zivilisiert.«
Der Kommandant lachte.
»Daran muß ich beim nächsten Mal denken!«
»Was will Krawtschow von uns?« fragte Vuk.
Er schenkte nach. Es war offensichtlich, daß Krawtschow und der Kommandant vorher miteinander gesprochen hatten. Er hatte das Gefühl, daß sie schon irgendeine geschäftliche Absprache getroffen hatten. Die ihn und seine besonderen Talente betraf. Das verstand sich von selbst. Aber es fuchste ihn irgendwie, daß der Kommandant so selbstverständlich über ihn verfügte. Die Zeiten waren vorbei, heute nahm er das nicht mehr so einfach hin.
Der Kommandant spielte an seinem Glas herum und zündete sich eine Zigarette an. Krawtschow tat das gleiche. Er bot Vuk eine von seinen Marlboros an.
Der Kommandant entschuldigte sich bei Krawtschow und wechselte ins Serbokroatische. Der Russe wird trotzdem noch eine Menge verstehen, dachte Vuk, der dem Kommandanten zuhörte, ohne ihn zu unterbrechen.
»Vuk. Vor dem Zusammenbruch hat Krawtschow für den KGB gearbeitet. Er hat noch immer die richtigen Verbindungen. Er kriegt die nötigen Informationen. Er kann uns auch Waffen besorgen.«
Vuk sagte immer noch nichts, sondern schaute den Russen aufmerksam an. Der Kommandant fuhr fort: »Er will uns vier Millionen Dollar für einen Hit bezahlen.«
Vuk sagte auf englisch: »Ich töte nicht für Geld.«
Krawtschow beugte sich über den Tisch und sagte in derselben Sprache: »Das ist verflucht viel Geld, Vuk!«
»Ich töte nicht für Geld.«
»Es ist nicht für dich. Es ist nicht für mich. Es ist für die Sache«, sagte der Kommandant.
»Ich töte nicht für Geld«, wiederholte Vuk.
Krawtschow ließ seine Arme auf dem Tisch liegen und sagte leise: »Ich kann Ihre Gefühle verstehen, Vuk. Glauben Sie mir. Ich verstehe Sie. Aber überlegen Sie sich’s noch mal. Der Krieg geht dem Ende entgegen. Die erste Runde habt ihr nicht gerade gewonnen. Ihr braucht Geld. Ihr seid Ausgestoßene. Ihr braucht Geld für Waffen. Um die Zukunft zu sichern.«
»Hör dir sein Angebot an«, sagte der Kommandant.
Vuk antwortete nicht. Er wartete. Krawtschow wechselte wieder einen Blick mit dem Kommandanten, ehe er fortfuhr: »Ich kann nicht ins Detail gehen, bevor ich nicht weiß, ob du mitmachst. Das verstehst du doch, oder? Du kennst ja die operationellen Bedingungen, nicht? Nur so viel: Ich bin der Mittelsmann einer Nation, die bereit ist, vier Millionen Dollar zu bezahlen, um ein Ziel abzuräumen, das etwas zu vielen Leuten auf die Zehen getreten ist.«
»Warum ich?« fragte Vuk.
»Das Ziel taucht in Dänemark auf. Du bist perfekt«, sagte der Kommandant.
Vuk leerte sein Glas.
»Perfekt«, sagte Krawtschow.
»Das Ziel ist kein Feind an sich«, sagte der Kommandant.
»Aber unschuldige Zivilisten sterben in jedem Krieg. Das weißt du besser als andere, Vuk. Krawtschow hat einen guten Plan. Wir werden einen anderen Schuldigen finden, einen Muslim. Einen unserer Feinde. Wir kriegen das Geld. Die kriegen die Schuld.«
Vuk stand auf und entfernte sich vom Tisch. Der Kommandant ging ihm nach.
»Was ist das hier für ’ne Sache?« fragte Vuk.
Der Kommandant warf seine Zigarette auf die Erde und zerdrückte sie mit der Sohle seiner amerikanischen Militärstiefel.
»Letzten Endes eine Fahrkarte von hier weg«, sagte er trocken.
»Das dachte ich mir.«
»Wir sind am Ende, Vuk. Bald rennen hier überall die Amis und die NATO rum. Diesmal meinen sie es ernst. Diesmal sind es keine blaubehelmten Weicheier mit leichten Waffen von der UNO. Diesmal kommen sie mit Panzern und Artillerie und mit dem Recht und der Lust zu schießen. Und vielleicht fangen sie an zu graben. An den verkehrten Stellen, Vuk. Denk drüber nach. Denk drüber nach.«
Das war das einzige, woran Vuk nicht denken wollte. An den grauen, dreckigen Frühlingsnachmittag in dem muslimischen Dorf, wo jede Menschlichkeit vor die Hunde ging und es schwer und süß nach Blut roch. Wo nicht einmal die später aufgeschüttete Erde und die brennenden Häuser den Geruch vertreiben konnten. Er würde das ganze Leben in seinen Nasenlöchern sitzen. Wo sie der Blutrausch gepackt hatte und sie wie die Berserker gewesen waren, von denen er in der Schule eines
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