Der Fluch der bösen Tat
anderen Landes gehört hatte.
»Ich traue dem Rußki nicht«, sagte Vuk.
»Vertraust du mir?«
Vuk schaute ihn an.
»Du bist der einzige, den ich habe. Vielleicht noch Emma, aber das weiß ich nicht«, sagte Vuk.
»Vuk! Hör mir zu. Milosevic verkauft uns. So sicher, wie die Nutte ihre Beine spreizt. Er will, daß das Embargo aufgehoben wird, und er will seine Macht behalten. Er verkauft die bosnischen Serben. Wir können bei ihm wohnen, aber in unser altes Land kommen die Muslims. Wir sind erledigt. Slobodan hat uns für dreißig Silberlinge verhökert. Und er liefert uns auch noch aus, wenn es die Amis verlangen. Vuk! Ich kenne die Amerikaner. Die verstehen die Nuancen nicht, die haben keine Ahnung von Politik, den Balkan kapieren sie schon gar nicht, aber sie verstehen was von Geschäften.«
»Also du und ich?«
»Das ist der Kern«, sagte der Kommandant. Er tastete nach seinen Zigaretten. Vuk sah ihn zum ersten Mal nervös, nein, fast panisch. Hinter der Uniform und dem verschlossenen Gesicht verbarg sich ein verschreckter Mann.
»Der Kern?«
»Die, denen wir beide vertrauen.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Vuk, obwohl er sehr gut verstand.
»Das Geld des Russen gibt uns die Freiheit. Wir können hierbleiben. Weiterkämpfen. Wir können nach Serbien ziehen. Oder nach Südamerika. Ein neues Leben beginnen. Es ist eine Chance. Du kannst derjenige sein, der sein Glück versucht. Für seine Kameraden.«
»Für dich«, sagte Vuk.
»Für dich und mich. Für Emma, vielleicht.«
»Also nicht für die Sache.«
»Die Sache ist tot, Vuk. Jetzt geht es um uns selber. Das bist du mir schuldig. Ich hab dich zu dem gemacht, der du bist. Ich hab dich aufgesammelt, als Grünschnabel, der zitternd und verängstigt darüber weinte, was sie seinen Eltern angetan haben …«
»Halt’s Maul«, sagte Vuk. Er war nicht lauter geworden, aber er sah in den Augen des Kommandanten, daß er ihm Angst eingejagt hatte. Zum ersten Mal erlebte Vuk, daß der Kommandant Angst vor ihm hatte. Natürlich hatte er recht. Er war nur so weit gekommen, weil ihn der Kommandant an den Haaren aus dem Dreck gezogen und ihm eine Mission gegeben hatte. Ihm die Süße der Rache beigebracht und ihm die Mittel zur Rache in die Hand gegeben hatte. Aber da war auch die Sache gewesen. Jetzt ging es nur noch ums Geld.
Der Kommandant ergriff seinen Arm.
»Vertraust du mir noch, Vuk?«
»Ja«, log Vuk.
»Dann beweise es«, sagte der Kommandant.
Vuk ging an den Tisch zurück und setzte sich. Er leerte sein Glas wieder. Seine Hände waren ruhig, aber sein Hals war noch immer trocken. Es war, als gäbe es einen Fleck, der nie verschwand. Auch der Kommandant setzte sich und hob sein Glas und trank es aus und nickte Krawtschow zu.
»Kannst du dir vorstellen, eine Frau zu töten, Vuk?« sagte Krawtschow.
»Solange es klar ist, daß ich nicht für Geld töte«, sagte Vuk.
»Natürlich.«
»Wen und wann?«
Der Russe beugte sich vor und senkte die Stimme, als stünden sie auf vertraulichem Fuß miteinander. Vuk sah den Kommandanten an, dessen Gesicht feucht vor Schweiß war und der sich eine neue Zigarette ansteckte. Zum ersten Mal, seit sie sich begegnet waren, empfand Vuk keine Achtung, keinen Respekt, keine Liebe. Er fühlte nur Verachtung. Der Kommandant hatte ihn verkauft, aber Vuk würde schon dafür sorgen, daß er den Profit nie einstrich. Er hatte nicht gehört, was der Russe gesagt hatte, er bat ihn, es noch einmal zu wiederholen.
»Ich habe gesagt, daß wir uns in drei Tagen in Berlin treffen. Ich halte mich in Berlin auf. Berlin ist ein guter Ausgangspunkt. Ist das okay?«
»Das ist okay.«
»Wie kommst du hin?« fragte der Russe.
»Das geht dich nichts an.«
»Selbstverständlich.«
Krawtschow hob sein Glas, prostete ihm wortlos zu und kippte den Schnaps hinunter.
»Wer ist das Ziel?« sagte Vuk.
Krawtschow zog ein Foto aus der Innentasche und schob es Vuk hinüber. Das Gesicht sagte ihm nichts. Eine hübsche Frau um die Vierzig, die große goldene Ohrringe liebte. Sie hatte ein rundes Gesicht und lockiges Haar. Sie sah einerseits sehr sanft und mild aus, aber irgend etwas in ihrem Gesicht ließ sie andererseits bestimmt und dominant erscheinen.
»Hat sie einen Namen?« fragte Vuk.
»Sara Santanda.«
Vuk lehnte sich zurück und lachte auf einmal. Es war ein leises Lachen, das eher aus der Brust kam, trotzdem richteten sich der Kommandant und Krawtschow auf ihren Stühlen auf.
»Was ist los, Vuk?« sagte der Kommandant.
»Ich
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