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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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niemand begegnete ihm. In dieser letzten Phase des Krieges blieben die meisten lieber zu Hause. Die gegenwärtigen Treffen nannte man Friedensverhandlungen, aber in Vuks Augen waren es eher Kapitulationsverhandlungen. Sein Volk würde verkauft werden. Es war nur eine Frage von Monaten, dann würden sie unter muslimische und kroatische Kontrolle gestellt. Vor ein paar Jahren war die Lage anders gewesen. Sie waren kurz davor gewesen, fast ganz Bosnien-Herzegowina zu erobern, aber sie waren sich ihrer nicht sicher genug gewesen und hatten im entscheidenden Augenblick gezögert. Nun würde Bosnien ein starkes Regierungsheer aufbauen, und die verräterischen Serben in Belgrad würden sie für den Preis verkaufen, der internationale Anerkennung und Aufhebung der Blockade hieß. Und sie würden den gierigen Wölfen im Westen ein paar sogenannte Kriegsverbrecher ausliefern, um selber heil davonzukommen. Sein Entschluß war richtig. Es war an der Zeit, das Feld zu räumen.
    Gleich hinter Srebenica tauchte im Dunkeln die Grenze auf. Mit einem verschlafenen Grenzposten. Vuk drosselte die Fahrt und kurbelte das Fenster herunter. Der Posten war ganz jung. Sie waren auf serbischem Gebiet, und er sah keine bosnischen Grenzer. Vuk tippte sich mit den Fingerspitzen an die Schläfe, als wollte er militärisch grüßen, und reichte dem Posten seinen Militärpaß, der vom Kommandanten unterschrieben war und gewöhnlich sämtliche Türen öffnete. Zur Sicherheit hatte er noch eine deutsche Banknote hineingelegt. Man wußte nie in diesen Zeiten, aber es sah nicht nach erhöhter Bereitschaft aus, obwohl der Kommandant seine Unterschrift jetzt hoffentlich nicht mehr bestätigen konnte. Der Grenzer nahm den Fünfzig-Mark-Schein und gab den Paß mit einer trägen, nachlässigen Bewegung zurück, ehe er den Schlagbaum öffnete und Vuk nach Serbien einreisen ließ. Vuk setzte die Geschwindigkeit herauf und nahm Kurs auf Belgrad.
    Am frühen Morgen erreichte er den Belgrader Flughafen. Er lag gespenstisch und still im weichen, dunstigen Morgenlicht. Einst war er ein belebter, moderner Flughafen mit Verbindungen zu den meisten wichtigen Städten gewesen, aber in den letzten Jahren hat das internationale Embargo die täglichen Abflüge und Landungen auf ein Minimum reduziert. Langsam kam der Verkehr wieder in Gang, und Vuk entdeckte mehrere flugbereite Flugzeuge der alten jugoslawischen Luftfahrtgesellschaft. Auf dem Parkplatz standen nur wenige Autos. Er stellte den Niwa dort ab. Er zog den Revolver aus der Innentasche, ließ die Patronen herausfallen und stieß sie und den Revolver unter den Beifahrersitz. Er war zwar nicht gerne unbewaffnet, aber es war viel zu riskant, auf einem Flughafengelände eine Waffe zu tragen.
    Er lehnte sich an den Niwa, stellte den Rucksack zu seinen Füßen ab und zündete sich eine Zigarette an. Sein Kopf war ein bißchen schwer, weil er so wenig geschlafen hatte, aber das würde bald vorübergehen. Er hatte es schon öfter mehrere Tage hintereinander mit nur wenigen Stunden Schlaf geschafft, und er wußte, daß er es auch diesmal schaffen würde. Er hörte eine Autotür ins Schloß fallen und sah, wie ein kleiner, dreißigjähriger Mann im dunklen Anzug von einem grauen Ford Scorpio auf ihn zukam. Vuk straffte den Rücken und wartete. Er kannte ihn. Man nannte ihn »die Schlange«, weil er auf seiner rechten Pobacke angeblich eine Kobra tätowiert hatte, ein Souvenir aus dem Gefängnis.
    Die Schlange ging zu Vuk und reichte ihm die Hand.
    »Irgendwelche Probleme?«
    »Nein«, sagte Vuk.
    »Man sagt, dein Kommandant habe einen Unfall gehabt.«
    »Wir leben in gefährlichen Zeiten«, sagte Vuk.
    »So ist es«, sagte die Schlange und reichte Vuk ein Ticket. »Mit den Jugos nach Wien, in anderthalb Stunden, eine Stunde Wartezeit in Wien und dann mit LOT nach Warschau. Das macht genau zweitausend. Es mußte ja alles ein bißchen flott gehen.«
    Vuk stopfte die Flugkarte in die Innentasche. Sie war sicher in Ordnung. Der Preis war zu hoch, aber man bezahlte für Qualität, und die Schlange hatte so lange überlebt, weil sie wußte, die beste Versicherung für zukünftige Geschäfte ist der Ruf, daß man eine Transaktion in dem Augenblick vergaß, in dem sie zu Ende war. Er gab der Schlange die zweitausend Mark. Die Schlange zählte nicht nach, sondern steckte die ordentlich gefalteten Scheine in die Innentasche.
    »Mit dem Auto kannst du machen, was du willst«, sagte Vuk.
    »Ist es heiß?«
    »Vielleicht

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