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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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gemacht wurden, weil es eigentlich nicht viel gab, worüber man schreiben konnte. Er las sich laut vor, und die Wörter kamen leicht und fließend. Er prägte sich bei der Lektüre ein, wer der Staatsminister war und worüber die Dänen anscheinend gerade sprachen. Die Fernsehprogramme füllten nun eine ganze Seite. Die Nachrichten wurden zweimal gesendet und zu ganz neuen Zeiten. Das zweite Programm sendete mehr oder mindestens so viel wie der alte Sender Danmarks Radio, der sich jetzt offenbar TV1 nannte. Es gab auch viele ausländische Sender, die die Dänen empfangen konnten, jedenfalls war deren Programm detailliert abgedruckt. Die Dänen konnten dasselbe sehen, was er in Berlin sah. Anscheinend konnte ganz Europa dasselbe Programm sehen, wenn es wollte.
    Jeden Tag ging er zur Hauptpost und zeigte am Poste-restante-Schalter seinen Per-Larsen-Paß. Am Tag nach seiner Begegnung mit Krawtschow rief er die Bank auf den Cayman Islands an, die eifriger über das Bankgeheimnis wachten als die Schweizer. Er rief von einer Zelle auf dem Postamt an, wo er das Gespräch in bar abrechnen konnte. Er gab der Bank seine Geheimzahl, versicherte sich, daß das Geld eingegangen war, und bat darum, es abzüglich einer geringen Gebühr auf eine Bank in Liechtenstein zu überweisen, bei der Vuk in den letzten vier Jahren seine Einkünfte und Prämien eingezahlt hatte. Sie war diskret und hielt die Identität ihrer Kunden vor den lokalen und nationalen Finanzbehörden geheim. Möglicherweise könnte ein Gericht den Zugang zu einem Konto verlangen, aber soweit die Bank orientiert war, war das nie vorgekommen. Man sah in dem kleinen Fürstentum keinen Grund, das Huhn zu schlachten, das ohne jeden Aufwand goldene Eier legte. Vuk hatte das Konto auf den Namen Peter Nielsen einrichten lassen und konnte davon abheben, indem er einfach seine Geheimzahl durchgab.
    Am vierten Tag wurde ihm ein gefütterter Umschlag ausgehändigt, in dem sich lediglich ein Kofferschlüssel und eine Marke für die Gepäckaufbewahrung im Bahnhof Zoo befanden. Er suchte sich auf seinem Stadtplan die betreffende U-Bahn-Linie heraus und fuhr hin. Junge Leute aus der ganzen Welt standen vor der Gepäckaufbewahrung herum, wo sie ihre Rucksäcke abgaben und wieder abholten und alles mögliche verglichen: Übernachtungsmöglichkeiten, Preise billiger Lokale und Ziele, die man besuchen mußte, und Orte, wo man sogar umsonst wohnen konnte. Vuk gewann den Eindruck, daß der eigentliche Sinn und Zweck des Rucksacktourismus darin bestand, so billig wie möglich durchzukommen und nur mit Gleichgesinnten zu verkehren. Sie reisten, um sich und andere kennenzulernen, aber auf der Jagd nach Sicherheit hielten sie sich doch nur an Menschen, die so sprachen, dachten und angezogen waren wie sie selber. Mit seinen Jeans, den Laufschuhen und der braunen Lederjacke fiel er unter ihnen nicht weiter auf. Er mischte sich unter sie und schaute sich sorgsam, aber diskret um. Der Bahnhof strahlte hektische Normalität aus.
    Er gab seine Marke ab.
    »Einen Moment«, sagte der kräftige ältere Mann, der sie in Empfang nahm.
    Vuk blickte sich um. Er spürte die Nervosität wie ein Zittern im Kreuz. Wenn sie ihn nun beobachteten? Wenn Krawtschow nicht der war, für den er sich ausgab? Oder wenn er ihn verkauft hatte, dann war jetzt der Augenblick gekommen, in dem die deutsche Polizei zuschlagen würde. Er hielt sich illegal in Deutschland auf, und auf CNN hatte er gesehen, daß man angefangen hatte, bosnische Serben festzunehmen, um sie dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag auszuliefern. Aber Vuk wußte, daß er immer vorsichtig gewesen war. Ihn kannten nur wenige. Das eine Mal, wo er zusammen mit dem Kommandanten zu weit gegangen war, hatten sie keine Zeugen hinterlassen. Er war Soldat in einem schmutzigen Krieg gewesen, aber er war mit sich einig, daß er nur seine Pflicht getan hatte. Nur die Blutwalze erzählte ihm, daß er den Nachmittag, an dem er die Besinnung verloren hatte und sie mit dem Töten einfach weitermachten, bis im Dorf nichts Lebendes mehr übrig war, womöglich nie vergessen würde.
    Der ältere Mann kam mit einem kleinen grauen Samsonite-Koffer zurück. Vuk nahm ihn, bezahlte und ging schnell davon. Niemand nahm von ihm Notiz. Täglich gingen Hunderte von Taschen, Rucksäcken und Koffern über die Theke der Gepäckaufbewahrung.
    Er nahm ein Taxi, bat aber, an der Ecke Knesebeckstraße und Kurfürstendamm abgesetzt zu werden. Mit dem Koffer zu seinen Füßen blieb er

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