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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Fahrräder waren für Vuk die Essenz Kopenhagens. Er blieb ein wenig stehen und betrachtete sie. Ein junger Mann ging mit einem Bier an ihm vorbei. Es hatte ein gelbes Etikett. Wie hieß es noch mal? Elefantenbier. Der junge Mann trank aus, schüttete den Schaum in den Rinnstein und rülpste, aber die Flasche behielt er in der Hand.
    Vuk trug seinen Koffer in der Rechten und die Sporttasche in der Linken. Er hatte seine helle Hose an, ein dunkelblaues Hemd und eine neue braune Lederjacke. An den Füßen trug er braune, praktische Halbschuhe. Ein junger verwahrloster Mann mit langen fettigen Haaren versuchte ihn mit ausgestrecktem Arm aufzuhalten, aber er würdigte ihn keines Blickes. Er betrat das Hotel und ging in den ersten Stock. Hinter der Rezeption, die zur Linken lag, stand ein jüngerer Mann. Er war in Hemdsärmeln, trug aber eine blau-rot karierte Krawatte. Es war ein ordentliches, bezahlbares Hotel und wurde daher gern von jütländischen Geschäftsleuten aus mittleren Unternehmen besucht.
    Vuk stellte sein Gepäck auf den Boden.
    »Es wurde ein Zimmer für Carsten Petersen, Jysk Teknoplast, reserviert«, sagte er.
    »Eine Sekunde«, sagte der Mann. Er hatte einen Computer auf seiner Theke stehen, aber er schlug trotzdem in einem Buch nach.
    »Ja, richtig«, sagte er. »Bestelleingang heute nacht.«
    »Es mußte schnell gehen«, sagte Vuk.
    »Muß heutzutage ja manchmal sein«, sagte der Mann. »Wie lange wollen Sie bleiben?« Er reichte Vuk einen Schlüssel.
    »Ein paar Tage. Eine knappe Woche vielleicht. Kommt darauf an, wie schnell ich das Problem gelöst bekomme.«
    »311. Die Treppe hoch und dann rechts.«
    »Danke«, sagte Vuk, nahm sein Gepäck und stieg die Treppe hoch, ohne sich umzudrehen. Die Dänen waren ein argloser Menschenschlag. Sie erkannten einander an der Sprache, und wenn man sie ohne Akzent sprach, würde man niemals nach einem Paß oder Ausweis gefragt werden. Vuk war davon ausgegangen, daß sich das nicht geändert hatte, und hatte glücklicherweise recht behalten. Falls nicht, hätte er sich mit irgendeiner Entschuldigung wieder verabschiedet und ein anderes Hotel gesucht und sich ein paar Tage als britischer Staatsbürger eingetragen, aber dazu hätte er eigentlich keine Lust gehabt. Solange es sich vermeiden ließ, wollte er keine elektronischen Spuren hinterlassen. Das kam noch früh genug. Er entschloß sich, nach zwei, höchstens drei Übernachtungen in ein ähnliches kleineres Hotel zu ziehen, damit er in bar bezahlen konnte, ohne daß es größere Aufmerksamkeit erregte.
    Das Zimmer war klein, aber komfortabel; es hatte ein breites Bett, einen Nachttisch, einen kleinen Schreibtisch und einen Fernseher. Er stellte seine Gepäckstücke ab, schloß die Tür ab und zog sich aus. Dann nahm er eine heiße Dusche. Sein Schädel brummte, und die Müdigkeit überkam ihn nun mit Macht. Er legte sich aufs Bett und schlief augenblicklich ein.
    Vuk schlief sechs Stunden und schlenderte den restlichen Nachmittag durch die Stadt. In seiner blauen Jeans, dem hellen Hemd und der Lederjacke fiel er nicht weiter auf, obwohl er bemerkte, daß ihm einige Mädchen lange Blicke hinterherwarfen. Er hatte vergessen, wie direkt die dänischen Mädchen sein konnten. In einem Geschäft, das sich auf Abenteuerurlaub spezialisiert hatte, kaufte er sich ein Fahrtenmesser und einen Schleifstein. In einem Spielwarengeschäft kaufte er ein altmodisches Springseil mit Holzgriffen und bei einem Eisenwarenhändler eine kleine Rolle dünnen Stahldraht. Er packte alles zusammen in eine Tragetüte der Eisenwarenhandlung. Ein netter junger Mann auf dem Weg vom Einkauf nach Hause.
    Kopenhagen war wie immer, die Stadt lag im goldenen Licht des Spätnachmittags und schmiegte sich an ihn wie ein alter, weicher Pulli. Nur den Rathausplatz erkannte er nicht wieder. Es sah aus, als wäre man dabei, nach umfangreichen Straßenarbeiten aufzuräumen. An dem einen Ende erhob sich ein großer, viereckiger schwarzer Kasten. Er glich einer überdimensionalen Panzersperre, hinter der die Einwohner einer belagerten Stadt vor Heckenschützen Zuflucht suchen konnten. Aber dahinter hielten die bekannten gelben Busse, die er auch mit Kopenhagen verband. Sie schaukelten so ruhig davon. Außer morgens und abends saßen immer nur wenige Fahrgäste darin. Auch die grüngekleideten Fahrradboten, die sich schnell und behende durch den Verkehr schlängelten, waren neu. Er ging die Strøget hinunter. Sie war belebt, aber nicht überfüllt.

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