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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Küche, und obwohl es ein wenig unpraktisch war, ließ er ihre Hand nicht los, während er Kühlschrank, Schubläden und Schranktüren öffnete und ihr die Trivialitäten des alltäglichen Lebens wie seltene Antiquitäten zeigte. Sie konnte nicht anders, sie mußte über sein Maklergerede lächeln, während er weitersprudelte und Besteck und Geschirr vorwies, Kaffee und Teebeutel, Töpfe und Pfannen, Instantsuppen und Konserven. Luftdicht verpackten Aufschnitt, Fruchtsaft und Wasser und für die nagelneue Mikrowelle ordentlich gestapelte Fertiggerichte in der Tiefkühltruhe.
    »Ich nehme sie«, sagte Lise ironisch, aber er hörte nicht zu, sondern schleppte sie weiter und zeigte ihr das ganz und gar durchschnittliche Badezimmer mit weißen Fliesen, einer weißen Toilette und einer Duschkabine mit einem Vorhang, der einen Wechsel nötig gehabt hätte.
    »Ganz bezaubernde Wohnung«, sagte sie.
    »Ja. Perfecto, nicht?«
    » Perfecto, hombre. Davon träumt jede Frau.«
    Er hörte wieder nicht zu, sondern zog sie weiter. Seine Hand in ihrer strahlte eine Wärme aus, die sich langsam im ganzen Körper ausbreitete. Er führte sie zum Schlafzimmer. Es war nicht sehr groß. Es paßte kaum mehr als das Doppelbett und der Kleiderschrank hinein. Die Gardinen waren fast ganz vorgezogen. Ein schmaler Lichtstreifen beleuchtete das Bett, das nach Hotelmanier gemacht war. Das Bettzeug sah weiß und sauber aus.
    »Was kann man mehr verlangen?« sagte er dann.
    Lise und er standen Hand in Hand nebeneinander. Es kam ihr plötzlich unpassend und linkisch vor. Die Pause wuchs und wurde lang wie bei einer Funkstille im Radio, bei der einem jede Sekunde der Stille wie eine ganze Minute vorkommt. Lise machte ihre Hand frei. Sie spürte Widerstand, aber er ließ sie los.
    »Ja. Dann dürfte ja alles soweit … ich weiß nicht«, sagte sie, als die Stille sie zu ersticken drohte.
    »Es fängt an, Gestalt anzunehmen«, sagte er.
    Die Stille nahm wieder zu. Sie sah ihn an, mit einem Seitenblick, der kurz sein sollte, aber sie merkte, daß er sie auch ansah. Sie hatte ein ungutes und ein wohliges Gefühl zugleich im Magen, während sie dachte: Ich mache jetzt nichts mehr. Ich bin schon zu weit gegangen. Jetzt liegt es an ihm. Wenn er die Hände nach mir ausstreckt, ist es zu spät, um sich zurückzuziehen und alles zu bereuen. Dann überschreite ich eine Grenze, die ich nie zuvor überschritten habe, dann beginnt eine neue Phase in meinem Leben.
    Per nahm erst ihre eine, dann die andere Hand. Sein Blick schweifte einen kurzen Moment zum Bett, dann sah er sie wieder an. Er zog sie an sich.
    »Okay. Okay. Es ist bestimmt okay«, sagte sie und ließ seine Hand los und legte ihre Arme um seinen Hals.

11
    VUK NAHM DAS TELEFONBUCH von Kopenhagen zur Hand und überflog die Liste der Hotels. Dann kaufte er eine Fahrkarte für den Intercity-Nachtzug nach Kopenhagen. Der Zug Nummer 590 fuhr um 1.06 Uhr ab und kam um 7 Uhr an. Er reservierte ein ganzes Schlafwagenabteil für sich und konnte den Zug schon ab 22.30 Uhr besteigen. Von einer Telefonzelle rief er das Hotel an und bestellte ein Zimmer. Das alles war ein wenig unwirklich. Der Bahnhof in Århus lag in gelblichem Licht und war nur von wenigen schweigsamen Menschen mit müden Augen bevölkert. Eine Gruppe junger Immigranten belauerte ihn, aber offenbar machte er einen so bedrohlichen Eindruck, daß sie ihn mit seinen Zeitungen in Ruhe ließen. Er mußte an die Gruppe von Türken auf dem Kopenhagener Hauptbahnhof denken, als er ein Junge war. Sie hatten verzagt herumgestanden und ausgesehen, als wollten sie sich dafür entschuldigen, daß es sie überhaupt gab. Aber die hier gehörten zur zweiten Generation und wirkten selbstbewußt und aggressiv. Sie fanden Kraft in ethnischer Gruppenzugehörigkeit. Sie wollten sich weder weiter mit Rassismus abfinden noch mit der dänischen Umklammerung, die erwartete, daß alle, die ins Land kamen, so wurden wie die Dänen selbst. Sie wollten sich nicht zu Klienten machen lassen. Sie kehrten ihre Wut nach außen. Irgendwie konnte er sie verstehen, aber ihr Krieg war nicht seiner, und er vertiefte sich wieder in seine Zeitungen. Aber er las nicht, er beobachtete lieber seine Umgebung. Die Abfallkörbe quollen vor Resten von Hamburgern, Papier, Pommes-frites-Tellern und Apfelsinenschalen über. Flaschen gab es nicht. Vuk hatte schon bemerkt, daß sie meist von ärmlich gekleideten Männern herausgefischt wurden. In seiner Abwesenheit war Dänemark reicher und ärmer

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