Der Fluch der bösen Tat
Magenbitter aus seinen Vokalen heraus.
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
Sie konnte seinem Blick nicht standhalten und guckte weg.
»Du weißt, das Stinkbanale. Daß du einen andern hast«, sagte Ole.
Sie merkte, daß ihr Nacken rot wurde. Verdammt noch mal, der Mann war schließlich Psychologe, und mit dem menschlichen Gemüt kannte er sich doch wohl ein bißchen aus. Sie nahm sich zusammen und ging zu ihm hin und ergriff seine Hand. Sie war schlaff. Er roch nach Kneipe.
»Ole. Jetzt hörst du mal auf, ja?«
Ole sah sie mit seinen verschleierten, aber auch klugen Augen an, die sie einst geliebt und schön gefunden hatte. Er zog seine Hand weg und trat einen Schritt zurück.
»Vielleicht gibt es bestimmte physische Zeichen, die man anführen könnte«, sagte er. »Wie zum Beispiel die verstärkte Benutzung des Bads? Ein neues Parfüm? Häufigerer Wechsel der Unterwäsche? Das ist das Klassische, aber du warst ja schon immer oberpingelig mit dir selber. Dann gibt es andere Zeichen. Du wirst zur Zeit schnell rot. Steht dir gut. Aber etwas sonderbar für eine Frau in deinem Alter. Du kratzt dich ein bißchen nervös. Und dann mußt du dir ständig durchs Haar fahren.«
Er sah sie mit seinen forschenden Augen an, und sie merkte zu ihrem Schrecken, daß sie errötete und sich durchs Haar fuhr. Sie wandte sich um, drehte den Wasserhahn auf und hielt die Zigarette unter das laufende Wasser, warf sie in den Mülleimer unter der Spüle und nahm sich noch ein Glas Wasser.
»Das habe ich immer schon gemacht«, sagte sie.
»Hast du einen Liebhaber, Lise?«
Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Dafür war sie dankbar. Ihre Miene würde ihm verraten, daß er ins Schwarze getroffen hatte. Warum sagte sie nicht einfach die Wahrheit? Warum wagte sie es nicht? Weil sie nie in einer solchen Situation gewesen war? Sie wollte jetzt keine Aussprache. Sie wollte Zeit und Ort selbst bestimmen.
»Ich bin nur ein bißchen gestreßt. Nervös. Das mit der Santanda geht mir auf die Nerven.«
»Hast du, Lise?«
Sie drehte sich um.
»Das mußt du doch kapieren. Streß! Davon lebst du doch. Du bist Psychologe. Wieso raffst du eigentlich gar nichts, zum Teufel?«
Sie hatte den letzten Satz geschrien, aber Ole ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Okay«, sagte er bloß, aber das reizte sie nur noch mehr.
Sie machte einen Schritt auf ihn zu, trat aber schnell wieder zurück, so daß sie wieder die sichere Tischkante im Rücken verspürte.
»Was meinst du mit ›okay‹?« sagte sie. »Ich bin nicht eine von deinen Patientinnen. Also hör auf, mir dein Psychologen-Okay zu geben. Das soll ja nur heißen: Ich höre zu, aber leck mich!«
»Okay.«
»Ole, verdammt. Gib mir ein bißchen Zeit. Sara kommt in vierzehn Tagen, dann müssen wir miteinander reden. Wenn der Besuch überstanden ist. Ich bin gestreßt …«
»Okay.«
»Jetzt hör mit deinem ›okay‹ auf, Ole.«
Sie tat wieder einen Schritt, zögerte aber, ehe sie sagte: »Ich hab heut abend frei. Sollen wir nicht was Schönes kochen? Wir legen uns ins Bett und gucken einen Film im Fernsehen. Wie früher. Ich bin nur ein bißchen gestreßt.«
Ole sah sie an. Sein Blick veränderte sich. Er war nicht mehr nur forschend, fand sie, sondern auch verächtlich. Er betrachtete sie eine Weile, dann wandte er sich um und ging.
»Wo willst du hin?« fragte sie.
»Ich verdiene es nicht, auch noch bemitleidet zu werden«, sagte er beim Hinausgehen.
Sie rief ihm hinterher: »Was soll das heißen? Das tu ich doch gar nicht. Wo willst du hin?«
Er blieb stehen und drehte den Kopf zu ihr um.
»In die Stadt.«
»Schon wieder. Soll ich nicht was kochen? Ole? Oder wir gehen zusammen. Und gehen irgendwo was essen. Bleib doch hier. Wir müssen uns aussprechen.«
Er blickte sie wieder forschend an.
»Ich hab keinen Hunger«, sagte er und ging, ohne sich umzusehen.
»Oh, verdammt noch mal!« sagte Lise und hörte die Wohnungstür ins Schloß fallen. Sie wählte Pers Nummer und ließ es mehrmals klingeln, aber er hatte ja gesagt, daß er nicht zu Hause war.
»Oh, Per«, sagte sie zum Klingelzeichen. »Wenn ich bloß wüßte, was ich machen soll.«
Sie machte sich schließlich ein Omelette und setzte sich vor den Fernseher und sah sich eine alte dänische Komödie an. Die waren inzwischen wieder total angesagt. Sie sehnte sich nach Ablenkung. Morgen würde sie sich zusammenreißen und einen Artikel über dieses Phänomen schreiben. Über das nostalgische Bedürfnis der Bevölkerung
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