Der Fluch der bösen Tat
du es sehen.«
Sie erzählte, daß noch ein Journalist angerufen hatte. Und daß sie einen Weg finden mußten, wie die Pressekonferenz einzuberufen war, damit die Journalisten kamen, aber ohne zu wissen, weshalb. Wie sollten sie das Problem lösen?
»Verstehst du, Tagesen? Man weiß, daß sie kommt, aber nicht wann. Ich kann doch nicht schreiben: Bitte kommen Sie um 13 Uhr zur Pressekonferenz mit Sara Santanda. Damit es jeder Terrorist in der Tagesliste der Agenturen nachschlagen kann.«
»Nee, aber sie müssen angelockt werden«, sagte Tagesen und fummelte an einem Knopf herum. Plötzlich hatte Lise eine Idee. Tagesen war bekannt für seine vielfältigen Kontakte zum europäischen Kulturleben. Sie dachte an die Geschichte, die heute früh über den deutschen Schriftsteller Scheer auf den Auslandsseiten gestanden hatte, dessen Leben von deutschen Rechtsradikalen bedroht wurde. Sie verlangten seinen Kopf, weil er die Türken und andere Immigranten verteidigte.
»Du bist doch ein guter Bekannter von Scheer, nicht?« sagte sie.
Tagesen nickte zufrieden. Er war stolz auf sein Netz von Beziehungen und machte keinen Hehl daraus.
»Und wenn du ihn herbekommen könntest? Dann könnten wir eine Pressekonferenz mit ihm einberufen.«
Tagesen lächelte und machte einen seiner kurzen, energischen Hüpfer.
»Genau. Herbert Scheer ist Nobelpreisträger, in Dänemark sehr bekannt. Ihn würde man also …«
»Normalerweise würden höchstens ein paar schräge Pressevögel Lust haben, zur Konferenz zu kommen. Und das Fernsehen schon gar nicht«, sagte Lise und genoß es sehr, daß sie Tagesen ausnahmsweise einmal einen Schritt voraus war.
»Dann verstehe ich nicht …«, sagte er.
»Normalerweise bist du schneller, Tagesen«, sagte sie und erklärte ihm den Zusammenhang. Scheer verbrachte den Sommer oft in seinem Ferienhaus in Dänemark. Man müßte andeuten, daß er auch in Dänemark bedroht sei. Das würde dann auch das Fernsehen und die Boulevardpresse wie Ekstra Bladet anlocken. Die Einwandererdebatte schwelte ja immer unter der Oberfläche. Ständig gab es irgendwelche Geschichten über Rassismus und Neofaschisten. Tagesen fand die Idee gut.
»Schlag sie deinem PND-Freund vor«, sagte Tagesen.
»Das werde ich«, sagte sie.
Tagesen blieb einen Moment stehen, dann packte ihn wieder die Rastlosigkeit.
»Ich muß weiter. Aber gute Arbeit, Lise! Ein bißchen was habe ich auch getan. Ich habe mit der Kulturministerin gesprochen. Sie will Santanda gern treffen. Sagt sie.«
»Und macht sie’s?«
»Ich glaube, kaum. Bang wird sie davon abbringen, und sie wird irgendeine Entschuldigung finden.«
»Geld hat immer das letzte Wort«, sagte Lise. Sie war enttäuscht.
»Ja. Daran kann kein Leitartikel etwas ändern«, sagte Tagesen mit einem seltenen Eingeständnis der Ohnmacht, die er hin und wieder empfand, sich aber hütete, öffentlich zuzugeben. Aber Lise hatte recht. Geld hat immer das letzte Wort. Das bewiesen sowohl der Fall Rushdie als auch der Fall Santanda. Denn in Wirklichkeit waren beide Fälle ja geradezu banal, und es ging überhaupt nicht um die freie Meinungsäußerung, sondern um Paragraphen des Strafgesetzbuches. Aber man kann nun mal kein ganzes Land und seine Regierung verhaften, besonders dann nicht, wenn das Land Einfluß auf die Handelsbilanz hat.
Lise sinnierte vor sich hin. Sie dachte an Per. An ihre Beziehung. Eigentlich war er überhaupt nicht ihr Typ. Nicht sehr gesprächig, ohne Interesse für Kunst und Kultur, reserviert. Er sah gut aus, hatte einen tollen Körper und war ein guter Liebhaber. Aber reichte das? Im Grunde wußte sie nicht recht, in was sie sich da verliebt hatte. Vielleicht war es nur physisch. Vielleicht war er nur der Anlaß, auf den sie gewartet hatte, damit sie Ole verlassen konnte. Vielleicht war er in Wirklichkeit keine neue Beziehung, sondern ein Komma zwischen einer verbrauchten und einer neuen, unbekannten, die noch auf sie wartete. Vielleicht wollte sie nur fühlen, was es bedeutete, begehrt zu werden, denn das tat er. Er begehrte ihren Körper und stellte wunderschöne Sachen mit ihm an. Sie freute sich schon darauf und schämte sich überhaupt nicht über ihre Vorfreude.
Doch wie auch immer, so konnte es nicht weitergehen. Irgendwann mußte sie sich entscheiden. Jetzt mußte sie sich auf ihre Aufgabe konzentrieren, statt dazuhocken und zu grübeln, was ihr Geheimagent und geheimer Liebhaber so machte, wenn er nicht mit ihr zusammen war.
13
PER TOFTLUND PARKTE
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