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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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einem bosnischen Dorf in der Stunde um. Wenn er ein anderes Leben führte, hätte er ohne Schwierigkeiten in Kopenhagen leben können. Hell und klar, vom Meer gespiegelt, lag das Licht über der Stadt, und nachts, wenn es regnete, glänzten die Tropfen wie Perlen in den Rinnsteinen und auf dem Asphalt. Es war eine merkwürdig leise Stadt, in der alle Geräusche verhallten, als wären Menschen und Häuser in Watte gepackt, besonders wenn die Dunkelheit hereinbrach. Die vereinzelten Stimmen klangen wie von weit her, und die wenigen Autos fuhren mit einem weichen, gepflegten Motorengeräusch.
    Auf dem Postamt in der Købmagergade zog Vuk eine Nummer, wartete und fragte dann nach Post. Er fragte auf englisch und zeigte seinen britischen Paß. Er sah sich um, aber niemand nahm von dem netten jungen Mann Notiz, der geduldig am Schalter wartete. Endlich hatte Krawtschow die Ware geliefert, und die Frau reichte ihm einen weißen Umschlag mit dänischen Briefmarken, aber ohne Absender. Der Brief war korrekt adressiert an John Thatcher, poste restante, Købmagergades Postkontor, Købmagergade 33, 1000 København K. Die Adresse war mit Maschine geschrieben.
    Vuk trat auf die Straße. Die Sonne kam hinter grauweißen, hochgelegenen Wolken hervor, und von Westen blies ein kühler Wind. Er öffnete den Umschlag, der zwei dünne Pappscheiben enthielt, zwischen die irgendein iranischer Diplomat mit durchsichtigem Klebeband einen Kofferschlüssel geklebt hatte. Außerdem fand er ein Ticket aus steifer, laminierter Pappe für die Garderobe im Kopenhagener Hauptbahnhof. Am Datumstempel, der sich unter einer Werbung für Gourmet Food befand, konnte Vuk sehen, daß der Koffer gestern eingeschlossen worden war. Es war für 72 Stunden bezahlt worden. Vuk ging davon aus, daß die Iraner seine Waffen mit der diplomatischen Post in die Botschaft geschafft hatten, so daß sie jede Grenzkontrolle umgehen konnten. Vuk hoffte, sie hatten eine unverfängliche Person gefunden, um den Koffer zu hinterlegen. Was derlei Unternehmungen betraf, hatte er vor dem PND oder anderen Geheimdiensten großen Respekt. Er wußte, daß Iraner, Iraker, Syrer, Sudanesen, Libyer und andere, die verdächtigt wurden, Terroristen oder islamische Fundamentalisten zu unterstützen, immer unter Beobachtung standen. Falls der PND die Gepäckaufbewahrung observierte oder falls die Beamten der Drogenfahndung den Verdacht hatten, die Schränke des Hauptbahnhofs würden als Postfach benutzt, wäre es bis auf weiteres der absolut gefährlichste Moment, wenn er die »Ware« abholte. Falls er also das Pech hätte, daß eine Operation im Gange war, von der er keine Ahnung haben konnte. Der Vorteil war, daß im Bahnhof reger Betrieb herrschte. Die Menschen kamen und gingen. Der Nachteil war, daß er immer von irgendeiner Abteilung der Polizei observiert wurde. Vuk hatte den Bahnhof untersucht und sich sein neues Aussehen eingeprägt. Er hatte sich sehr verändert. Die Garderobenschränke lagen nun im Untergeschoß. Sie wurden mit Kameras überwacht, hatten aber auch einen Ausgang zu den Gleisen, so daß er sich nicht in eine reine Sackgasse wagen mußte. Das Problem war, daß sie so leicht zu kontrollieren und abzuriegeln waren.
    Vuk ging Richtung Hauptbahnhof. Er hatte nicht die Strøget genommen, sondern ging an den Kanälen entlang.
    Er dachte an Ole. Vor zwei Tagen war es ihm endlich gelungen, einen Kontakt herzustellen.
    Es geschah in der Kneipe gegenüber von Oles und Lises Wohnung. Vuk saß an einem Tisch gleich neben der Tür, als Ole hereinkam und rief: »Hallo, Erna. Ein Gedeck!«
    Erna war eine kräftige Frau in einem blauen Kleid, die ihm die Gläser auf den Tisch geknallt hatte, als wäre sie sauer auf ihn.
    »Du solltest lieber zu deiner süßen Frau nach Haus gehen«, hatte die Frau gesagt, die er Erna nannte.
    »Sie ist sowieso nie zu Hause«, hatte Ole gesagt.
    Vuk lächelte und sagte, er würde gern das gleiche bestellen. Zuerst hatte ihn Ole verärgert und schief angeguckt, aber dann waren sie doch ins Gespräch gekommen. Vuk hatte sich als Handelsreisender aus Jütland vorgestellt, und nach einer Weile hatte er eine Runde spendiert. In einer Kneipe war es immer leicht, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Es war anonym und anheimelnd zugleich. Und Wörter verpflichteten hier nicht so sehr wie an anderen Orten.
    Vuk schlenderte an den Kanälen entlang und dachte an Ole und seine eigene Fähigkeit, mit Menschen in Kontakt zu kommen. Diese Fähigkeit hatte er

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