Der Fluch der bösen Tat
Igor verzog darauf über das, was der Mund des Jungen mit seinem steifen Glied anstellte, genießerisch das Gesicht, aber es bestand kein Zweifel, wer auf dem Bild zu sehen war.
Per drehte das Bild wieder um, damit Igor es anschauen konnte. Igor wollte nicht und konnte es doch nicht lassen. Der Junge hieß Lars und war jetzt siebzehn, aber auf dem Foto war er erst vierzehn. Sie hatten erst vor vier Monaten aufgehört, sich zu sehen. Per selber hatte Lars verhört und ihn die Beziehung beschreiben lassen. Per sah es Igor an, daß dieser sich darüber im klaren war, aber er ließ ihn noch ein wenig zappeln, ehe er sagte: »Trotz Demokratie, so was ist zu Hause ja wohl immer noch bah-bah, oder?«
Kammarasow antwortete nicht. Von den Jungen, die Fußball spielten, hörten sie laute Rufe, aber sonst waren sie allein auf der Welt. Sie standen sich wie alte Freunde gegenüber, die sich zu einem gemütlichen Plausch getroffen hatten. Es war, als könnte sich Kammarasow nicht von dem Bild losreißen, das Per eklig und dreckig fand, und er verachtete den Russen, besonders weil er von Lars wußte, daß Igor in den kleinen verdammten Stricher tatsächlich richtig verliebt gewesen war.
»Und sogar in Dänemark ist das ungesetzlich, Igor. Nicht, schwul zu sein, aber Minderjährige zu pimpern.«
Einen Augenblick lang huschte ein schmerzlicher Zug über das Gesicht des Russen, ehe er seine Muskeln wieder unter Kontrolle hatte und mit einer Stimme, die nur ein ganz kleines bißchen zitterte, sagte: »Die Zeit der dreckigen Tricks ist also noch immer nicht vorbei?«
»Wie gesagt, Igor, wir werden nie arbeitslos. Willst du es haben? Als süße kleine Erinnerung?«
Kammarasow nahm das Bild und gestand seine Niederlage und seine Wut ein, indem er es hitzig in Fetzen riß, so lange, bis sie nicht mehr kleiner werden konnten, dann schmiß er sie in die Luft, wo sie vom Wind über den Kies und um die Ecken des Pavillons bis in die Büsche geweht wurden. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.
»Ich sehe zu, was sich machen läßt«, sagte er heiser.
Per Toftlund genoß die Situation. Er hatte nichts dagegen, daß der große Mann aus dem großen Land jetzt wie ein gemeiner Dorsch am Haken zappelte. »Wenn der Schwanz reingeht, geht der Verstand raus«, wie Jytte Vuldom es drastisch ausgedrückt hatte, als er ihr erzählte, was sie über Igor herausgefunden hatten.
»Gab’s dafür in der alten Sowjetunion nicht fünf Jahre Knast? Ganz zu schweigen von Karriere, Ehefrau, Ehre und dem ganzen Scheiß. Und im neuen Rußland hat man von Tunten wohl kaum eine andere Meinung, oder was, he?«
Kammarasow hatte seine Fassung wiedergefunden und sah Per mit so etwas wie Verachtung an.
»Es reicht, Toftlund. Sei ein bißchen professionell. Ich habe ja gesagt, ich werde sehen, was ich tun kann.«
»In Ordnung, Igor. Und am besten fix. Es ist ja kaum zu glauben, wie schnell sich Abzüge von einem Negativ machen lassen. Prawda, towarischtsch? «
»Ich ruf dich an«, sagte Igor und ging.
»Ich wünsche noch einen guten Tag«, sagte Per und sah dem Russen nach, der sich mit raschen Schritten quer über das Fußballfeld der Jungen entfernte. Er ging mit hoch erhobenem Kopf und blickte nicht zurück und überhörte die ärgerlichen Rufe der Spieler. Per fühlte sich ein wenig unwohl, daß er so aufgetrumpft hatte. So verhielt man sich nicht unter Profis, obwohl er große Befriedigung dabei empfunden hatte. Aber Igor war hart im Nehmen. Er würde die Ware schon liefern. Per wollte am liebsten gar nicht daran denken, was jetzt mit Krawtschow passieren würde. Igor war durch eine harte und brutale Schule gegangen, und wenn es galt, seine eigene Haut zu retten, war er genauso rücksichtslos wie alle, die die russischen Geheimdienste zu jeder Zeit bevölkert hatten. Zar, Generalsekretär oder demokratisch gewählter Präsident. Für die, die für die Sicherheit des Staates arbeiteten, machte das keinen Unterschied. Sie waren und blieben der Überzeugung, Auserwählte zu sein und über dem Gesetz zu stehen.
Igor hatte verstanden, er wußte, wenn er nicht in den nächsten 48 Stunden mit irgend etwas auf der Matte stand, konnte er es ebensogut gleich hinter sich bringen und ins Meer hüpfen. Aber Igor war seit so vielen Jahren in der Branche, daß er die nötigen Kontakte hatte, die er brauchte, um Krawtschow zu einem kleinen Gespräch über Leben und Tod und einen Attentäter einzuladen, der sich irgendwo im Kopenhagen der Königin versteckte.
Igor
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