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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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Frisuren von Haupthaar und Bärten hätte er ewig staunen können, wären die Krieger nicht rasch zwischen Bäumen verschwunden. Marcus vermutete, dass dieses Herumschleichen und Ausspähen nicht zur normalen Ausbildung eines Legionärs gehörte, wollte sein Unwissen aber nicht zugeben und fragte daher lieber nicht nach. Am späten Abend nutzte Flaccus das letzte Tageslicht, um Marcus einige Tricks im Umgang mit dem Gladius, dem Kurzschwert der römischen Legionen, beizubringen. Er zeigte ihm, wie ein Legionär seine Waffen zu pflegen hatte, erzählte ihm mehr über die Anordnung der Legionen, die Hierarchien und neuen Taktiken. So verbrachten sie die Zeit bis kurz vor Mitternacht, als sie zum Fluss schlichen und sich nackt in das kalte Wasser gleiten ließen. Die Strömung trieb sie ein ganzes Stück ab, bis sie auf einer Schotterbank in der Mitte landeten, sich kurz ausruhten und danach weiter ans andere Ufer schwammen. Seitdem lagen sie hier, auf den glattgeschliffenen Kieseln am Rande der Uferböschung, und warteten ab, dass etwas geschah.
    »Darauf, dass ein paar Weiber im Mondschein zum Fluss zum Baden kommen«, grinste Flaccus, nachdem Marcus ihn gefragt hatte, worauf sie eigentlich warteten. »Ich habe gehört, die nordischen Frauen würden das so machen, um ihre Jugend zu wahren. Ihre Haut soll so weiß wie Milch sein, ihr Haar golden oder rot wie Feuer. Ich habe eine Wette laufen, ob das Haar zwischen ihren Schenkeln ebenfalls hell ist.«
    Es waren jedoch keine Kimberinnen zum Mondscheinbaden gekommen, und so war es eine erstaunlich langweilige Nacht geworden. Sie würden noch vor dem Morgengrauen zurückschwimmen müssen, um einer Entdeckung vorzubeugen, danach würde der lange und schnelle Marsch zurück zum Lager folgen. Insgeheim befand Marcus, dass ein Tag in einem Legionslager, in dem Kriegsvorbereitungen liefen, aufschlussreicher und sinnvoller gewesen wäre als dieser Ausflug. Außerdem, wenn er ehrlich war, interessierten ihn die Frauen der Kimbern nicht allzu sehr. Und so war Marcus schließlich gelangweilt und erschöpft eingeschlafen. Bis ihn dieser seltsame Schrei, von dem er nicht einmal wusste, ob er ihn tatsächlich gehört oder nur geträumt hatte, weckte.
    »War das ein Schrei?«, wiederholte er, als Flaccus nur neugierig den Kopf reckte bei dem Versuch, über die Uferböschung hinwegzuspähen.
    »Weiber schreien doch überall gleich«, lautete die vermeintlich gleichgültige Antwort, obwohl sich Marcus, der nahe genug an Flaccus lag, die plötzliche Gänsehaut auf den Schultern seines Freundes nicht einbildete. »Mir wäre lieber, ich würde sie sehen anstatt hören.«
    »Es klang traurig, findest du nicht?«
    »Gewöhn dich dran! Das tun sie immer, wenn sie Aufmerksamkeit wollen.«
    »Wer tut was?«
    »Weiber. Schreien. Traurig klingen. Heulen.«
    »Aber …«
    »Pst!«
    Flaccus duckte sich und drückte gleichzeitig Marcus’ Kopf nach unten. Schritte näherten sich, Kies knirschte. Ein Mann schritt über das breite Schotterufer bis zum Fluss und blieb dicht, keine zwanzig Schritte von Marcus entfernt, an der Wasserkante stehen. Von dort aus starrte er regungslos über den Strom hinweg. Marcus hielt den Atem an.
    Der Mann war groß, aber das sollten angeblich alle Kelten sein. Man hatte Marcus erklärt, bei den Kimbern handele sich um Kelten aus den fernen unbekannten Gebieten nördlich des herkynischen Gebirges. Flaccus, der in Gallia Narbonensis gedient hatte, behauptete hingegen, die dortigen Einheimischen wüssten, es handele sich bei den Kimbern um ein ganz anderes Volk, das von den Ufern eines eisigen grauen Meeres hoch im Norden stamme. Flaccus hatte noch mehr zu berichten gewusst, doch das alles hatte Marcus keinen Deut interessiert, und so hatte er ihm nicht zugehört. Als er nun jedoch diesen nordischen Krieger vor sich sah, wünschte er sich, er hätte besser aufgepasst.
    Der Mann hatte kurze Haare, die im Mondlicht hell schimmerten. Er war schwarz gekleidet, seine Oberarme waren nackt. Er trug keine Rüstung, nicht einmal ein Schwert, dennoch strahlte er eine Gewalt aus, die Marcus beten ließ, dieser nordische Krieger möge sie nicht bemerken. Er hätte nicht beschreiben können, was genau es war, ob es die Haltung war, angespannt wie eine Katze auf dem Sprung, die Hände, die sich zu Fäusten ballten und wieder öffneten, die Art, wie der Kimber sich unvermittelt bückte, nach einem Stein griff und ihn hinaus in den Fluss schleuderte. Dann veränderte sich die Haltung des

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