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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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viel schlimmer machen.
    »Nando!«, wiederholte Atharic fassungslos. »O Götter! Ich dachte, ich hätte ihn in Sicherheit zurückgelassen. Er sollte bei den Tauriskern leben, dort heranwachsen, im Haushalt eines reichen Mannes! Verdammt, er war noch ein Junge! Wieso ist er nicht dort geblieben? Wie konnte er seine Mutter verlassen? Seine Geschwister?«
    »Vielleicht wollte er dir folgen?«
    Atharic wirbelte herum. Seine Zähne blitzten in der tiefer werdenden Dunkelheit auf, als er den Mund öffnete und wieder schloss. Kurz darauf ließ er sich schwer gegen den Zaun fallen. Holz knackte, dann war es wieder still. In ihren Rücken erlosch das Licht des Herdfeuers, das bis dahin durch die offene Tür des Hauptgebäudes nach draußen gefallen war.
    »Nein«, widersprach Atharic heftig, »das kann ich nicht glauben. Du denkst, Nando wäre mir gefolgt? Und weil wir, als er die Kimbern endlich erreichte, diese bereits verlassen hatten, hätte er sich stattdessen dem Zug angeschlossen?«
    Talia schwieg. Am Ende beantwortete Atharic seine Fragen selbst. »Nein, das glaube ich nicht. Nando war damals ein schwieriger Junge. Er hat den Verleumdungen geglaubt, die Boiorix’ Männer über mich erzählt haben. Er hat nicht einmal gezuckt, als seine Mutter mich wegen dieses tauriskischen Fürsten verließ und wir beschlossen, die Kinder sollten bei ihr bleiben. Alle Kinder. Das Einzige, was Nando damals dazu äußerte, war, er wolle mit den Kimbern ziehen. Mit den Kimbern, wohlgemerkt, nicht mit mir! Ich verbot es ihm, daraufhin drehte er sich schweigend um und ging davon. Einfach so.« Atharic fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Als ich mich von den Kindern verabschiedete, war er nicht einmal da.«
    »Du hast ihn immer vermisst, das weiß ich.«
    »Ich habe alle vier Kinder vermisst.«
    »Sie haben bestimmt oft an dich gedacht.«
    »Ja, natürlich!« Atharic lachte hart auf. »Vor allem Nando. An den Feigling, den Verräter, wird er gedacht haben. Hast du nicht gehört, was der Krüppel gesagt hat? Er ist wie ein Sohn für Boiorix! Ausgerechnet Boiorix!«
    Talia wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Stumm machte sie einen Schritt nach vorne und griff nach Atharics Hand. Er reagierte nicht auf den Druck ihrer Finger.
    »Er ist dein Sohn«, beharrte Talia. »Du hast ihn erzogen, bis er – wie alt war? Zwölf? Etwas von dir wird auch in ihm stecken.«
    »Offenbar hat er einen anderen Weg gewählt.«
    »Wenn Sumelis ihn liebt, muss vieles von dir noch in ihm sein.«
    Es war das Falscheste, was sie hatte sagen können.
    »Verdammt, Talia!«, brüllte Atharic, ihr seine Hand entreißend. »Hast du nicht zugehört? Sie haben miteinander geschlafen! Bruder und Schwester! Sie wissen es offenbar nicht, aber wird das die Götter kümmern? Einen solchen Frevel können sie nicht ungestraft lassen! Nando und Sumelis sind vom selben Blut! Von meinem Blut!«
    Atharic schlug ein weiteres Mal auf den Pfosten ein, bis es krachte. Die Pferde standen mittlerweile in der anderen Ecke der Koppel, unruhig schnaubende Schatten in der Nacht. Talia trat einen Schritt nach hinten und stieß dabei mit dem Rücken gegen einen überdachten Heuunterstand. Der Widerstand des Holzes hielt sie aufrecht, und sie klammerte sich daran fest, ungeachtet der Holzsplitter, die sich tief in ihren Handballen bohrten. Von Atharic konnte sie nun nur noch die Umrisse vor dem Zaun erkennen, angespannte Schultern und Fäuste.
    Verzeih mir!,
flehte sie still.
    »Blutschande!«, wiederholte Atharic heiser. »Meine Kinder. Wodan sei gnädig, die Götter werden sie bestrafen!«
    »Die Götter haben keinen Grund, eine Blutschande zu sühnen«, brachte Talia endlich heraus. Ihre Kehle fühlte sich an, als hätte jemand eine eiserne Schlinge um sie gelegt, eine Zange, die durch ein Geflecht aus Fleisch und Lügen hindurch bis in ihre Seele schnitt. »Nando und Sumelis sind keine Halbgeschwister, sie sind nicht vom selben Blut. Nando ist dein Kind, Atharic. Sumelis jedoch ist …« Talias Stimme kippte. »Sumelis ist deine Tochter in allem, was zählt. In allem bis auf euer beider Blut. Gezeugt hat sie …«
    Atharic ragte über ihr auf: eine drohende Silhouette mit einem so ungläubig verzerrten Ausdruck, dass er Talia fast dämonenhaft erschien. Ihre Nägel krallten sich in das morsche Holz des Unterstands und brachen.
    »Dago«, zwang sie die Wahrheit über ihre Lippen. »Es war Dagos Samen, der Sumelis gezeugt hat.«

10 . Kapitel
    D ie Hände schützend gegen die

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