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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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verschwamm. Prüfend musterte er seine Umgebung, doch niemand schien ihn zu beachten. Er war ein Kimber unter Kimbern, und was einen Mann zur nächtlichen Stunde durch das Lager trieb, war seine Sache. Vor allem an einem Abend wie diesem. Abermals lauschte er in Richtung der grölenden Feiernden. Hinter diesen Wagen lag also das Hauptquartier. Dort würde er am ehesten auf Männer treffen, die ihn erkennen mochten. Dort feierte Boiorix sich selbst, seine Gefolgsleute und seine Siege, vergangene wie künftige. Atharic drehte den Wagen den Rücken zu und begann, einen Halbkreis in die andere Richtung zu schlagen. Er hatte die ganze Nacht, um das eine Zelt zu finden, das er suchte. Um den Rest würde er sich später Gedanken machen.
    Die Priesterinnen hatten ihre Wagen in einem eigenen Kreis zusammengestellt, an dessen östlichem Rand ein breiter Durchgang klaffte. Atharic, der gebührend Abstand zu der isolierten Wagenburg hielt, erhaschte dennoch einen Blick ins Innere, wo weißgewandete Frauen um ein gewaltiges Feuer standen und einen hohen Gebetsgesang intonierten. Einige Priesterinnen schnitten sich mit gebogenen Klingen Haarsträhnen ab, während sie sich zur trillernden Melodie aus Dutzenden Kehlen vor- und zurückwiegten. Das Haar wurde den Flammen geopfert, ebenso der Inhalt eines Korbs – Früchte, Brot und Innereien. Eine Novizin mit einem Kranz aus Eichenblättern um den Hals goss Flüssigkeit aus einer Schale hinterher. Eine andere tanzte mit einer Ebermaske vor dem Gesicht einen martialisch anmutenden Tanz um eine in einen blauschwarzen Umhang gekleidete Priesterin herum, deren eine Gesichtshälfte dunkel gefärbt war: Fruchtbarkeit und Tod vereint in einem einzigen Tanz und einer Göttin. Neugierige hatten sich außerhalb des Wagenrings eingefunden und sahen den Priesterinnen bei ihren Ritualen zu. Es herrschte ein ständiger dünner Zustrom an weiteren Beobachtern, in dem Atharic unbemerkt untertauchen konnte. Bis auf das Prasseln der Flammen, die summenden Intonationen und das Raunen der Menge war es bemerkenswert still. Nur von Zeit zu Zeit störte das Bellen eines Hundes die ehrfürchtige Stille.
    Atharic hatte den Wagenring der Priesterinnen halb umrundet, als ihm ein weiterer Durchgang – ein schmalerer diesmal – auffiel, der eine Gasse zu eher nachlässig errichteten Koppeln öffnete. Hinter mit Schnüren gespannten Abgrenzungen, an denen bunte Lappen baumelten, trabten trotz der fortgeschrittenen Nacht Pferde auf und ab, schmal gebaute, nichtsdestotrotz herrliche Tiere, wie Atharic an ihren Umrissen und Bewegungen sofort feststellte. Ein Stück abseits ruhten Rinder neben verstreuten Heubündeln; Ziegen waren mit langen Stricken an Sträucher oder Pflöcke gebunden. Offenbar zogen die Priesterinnen es vor, sogar ihr Vieh dicht bei sich zu behalten. Auf der anderen Seite der provisorischen Einfriedungen bildeten weitere Wagen eine langgezogene Linie, hinter der wiederum die Glut einer verlöschenden Herdstelle glomm. Inmitten all dessen stand ein einsames niedriges Zelt, dessen Dach leicht durchhing.
    Der Mond leuchtete gelblich von einem wolkenlosen Himmel, sein Schein gedämpft von einer dünnen Staubwolke in der Luft. Das Licht erhellte den Pfad unter Atharics Schritten, als er das gesamte Areal umrundete, sogar die Reihe aus Wagen abschritt, von denen aus er den Eingang des Zelts gerade so erahnen konnte. Sorgfältig drehte er eine weitere Runde, aber er traf auf keine Wache, niemanden, der sich um das Zelt zu kümmern schien. Das machte keinen Sinn, überlegte er und wollte sich schon abwenden, um seine Suche anderswo fortzusetzen, als er einen Schatten bemerkte, eine Bewegung in der Dunkelheit, Mondlicht auf Schwärze und einem Hauch von Stahl. Sofort eilte Atharic ein paar Schritte nach links, doch der Moment war bereits verpasst: Ein von Ziegen kahlgefressener Strauch verstellte ihm den Blick auf das Zelt und den Schemen, den er davor zu erahnen geglaubt hatte. Atharic zog seinen Dolch und näherte sich lautlos dem Zelt.
    Direkt neben dem Busch, der ihm den Blick verstellt hatte, trat er auf den Bauch eines Toten.
    Der Mann lag in einem kleinen Graben, in dessen feuchterer Erde auch der Strauch Wurzeln gefasst hatte. Bei Tageslicht wäre er wohl schon aus mehreren Schritten Entfernung zu erkennen gewesen, so dagegen bemerkte Atharic ihn erst, als seine Sohle schon fast das Hemd des Mannes berührte. Atharic nahm keinen Augenblick lang an, der Wächter hätte sich womöglich nur für

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