Der Fluch der Druidin
wäre er niemals fort gewesen, als würde er noch immer mit den Kimbern ziehen und dies wäre ein Lager wie unzählige andere, die sie während ihres generationenlangen Zugs aufgeschlagen hatten. Nichts war verändert, weder die Art, wie die Wagen zu einer Befestigung aufgestellt standen, die Unordnung im Inneren, hier ein herumliegendes Speichenrad, dort ein zerbrochener Topf, das dumpfe Flappen einer gerissenen Lederplane, Knochenabfälle, an denen Hunde und unsichtbares Getier nagten, noch das unregelmäßige Mosaik der Herdstellen, nach Sippen aufgeteilte Glutinseln zwischen den aufragenden, manchmal fast lebendig erscheinenden Strukturen von Wägen und behelfsmäßigen Unterkünften. Dazu die Frauen, über große Kessel gebeugt, Männer, die beisammensaßen und sich über kreisenden Trinkhörnern und Bechern unterhielten. Die vertraute Sprache, so flüssig auf seiner Zunge, als hätte er sie nicht jahrelang nicht gesprochen.
Noch bevor sich Atharic zweihundert Schritte weit im Lager bewegt hatte, hatten seine Ohren schon vernommen, dass die Kimbern am übernächsten Tag gegen die Römer in den Kampf ziehen würden, so sei es mit den römischen Konsuln verabredet worden. Die Stimmen, die davon erzählten, waren laut und übertrieben fröhlich; erst am folgenden Abend, dem letzten vor der Schlacht, würden die Reden gedämpfter sein, erstickt von letzten Vorbereitungen, dem Schärfen von Klingen, Greinen von Kindern und den Beschwörungen der Frauen. Atharic kannte all dies, und so hörte er einfach darüber hinweg, während er seinen Weg fortsetzte, den vereinzelten Bemerkungen folgend, die ihn tiefer in das Lager wiesen, dorthin, wo Boiorix’ Hauptquartier lag und die Wagen der Priesterinnen.
In diesem Punkt zumindest war der Krüppel hilfreich gewesen: Viriotali hatte deutlich gemacht, dass Sumelis vor allem eine Gefangene der Weisen Frauen war, und dass Atharic sie, wenn überhaupt, dort finden würde.
Sie würde wahrscheinlich bewusstlos, betäubt sein, hatte er gewarnt, aber Atharic könne wohl davon ausgehen, dass sie ein eigenes Zelt oder einen Wagen für sich hatte, denn weder wollte eine Priesterin in der Nähe dieser keltischen Hexe schlafen, noch ließ Boiorix jemand anderen als wenige Auserwählte an Sumelis’ Seite.
»Wie willst du Sumelis da herausschaffen, wenn sie bewusstlos ist?«, hatte Talia ängstlich gefragt. »Es wird auffallen, wenn du mit einem besinnungslosen Mädchen auf den Armen das ganze Lager durchquerst.«
»Lass das ruhig meine Sorge sein!« Atharics Abweisung hatte Talia zusammenzucken lassen, aber wenigstens hatte sie nicht gefragt, ob sich durch sein neues Wissen etwas geändert hatte, denn das konnte Atharic nicht einmal selbst beantworten.
Seine Tochter. Dagos Tochter.
Der Schock saß tief, aber er würde diesem Stachel erst erlauben, tiefer zu dringen, wenn er Sumelis heil aus dem Lager gebracht hatte. Gesund.
Ein Mädchen überholte Atharic, dessen beiläufiger Blick in seine grimmige Miene sie noch hastiger weitereilen ließ. Es dauerte einen Moment, bis Atharic registrierte, wie die junge Frau ausgesehen hatte: barfuß, in ein helles Kleid gesteckt, das in der Mitte zusammengehalten wurde. Der Gürtel bestand aus einer Kette aus einzelnen, mit Bronzenieten verzierten Metallplatten und zwei nahe den Hüftknochen angebrachten Ringen in der Form von Rädchen. Der lange dreieckige Gürtelhaken saß an einem breiten ledernen Ende, das ebenfalls aufwendig verziert war. Eine junge Priesterin, wahrscheinlich sogar die Tochter eines Fürsten oder Kriegsführers. Die Augen zusammenkneifend, blickte Atharic in die Richtung, aus der das Mädchen gekommen war, aber mittlerweile war es zu dunkel geworden, um mehr als vereinzelte Feuer, Schatten um sie herum und die Umrisse größerer Strukturen auszumachen. Rechts von ihm, verborgen von Wagen, die durch ihre Größe, die Qualität der bronzenen Achskappen und die sie zierenden Scheiben und Klapperbleche weitaus prunkvoller schienen als jene, die er am Anfang passiert hatte, scholl aufbrausendes Gelächter herüber, gefolgt von Waffengeklirr und trunken anfeuernden Rufen.
»Was bedeutet dieser Lärm?«, fragte er einen Jungen, der sich mit einem Armvoll zum Verfeuern bestimmter Knochen an ihm vorbeischleppte.
Der Junge blickte nicht einmal auf. »Das sind die Männer des Königs. Sie feiern ihren Sieg schon heute.«
Kaum war der Junge weitergegangen, trat Atharic ein paar Schritte zurück, bis er mit der Finsternis
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