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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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die ihr auf der Zunge brannten, hinunter und zeigte nicht, dass sie stets wusste, wo sich Nandos Waffen und Werkzeuge befanden, selbst wenn sie sich niemals in ihre Reichweite verirrten. So waren die Tage in endlosem Fluchtpläne-Schmieden und banger Hoffnung, von Carans Männern gefunden zu werden, vergangen, während die Nächte aus den gedämpften Tritten der Pferde auf dem weichen Boden, dem Knacken von Ästen und warnenden Rufen der Käuze bestanden. Sie ernährten sich von mit Fett vermischtem Dörrfleisch und Getreidebrei; von Zeit zu Zeit schaffte Nando auch Milch herbei, ansonsten sammelte er Vogeleier. Zweimal hatte er Tauben gejagt und sie mit Hilfe eines kaum rauchenden Feuers gegart, ein anderes Mal war es ein Hase gewesen. Sumelis hatte von ihrem Anteil etwas Fleisch beiseitegelegt, ein Opfer für die Jagdgötter und die Tiere, für die sie standen. Vielleicht, so hoffte sie, würde das Opfer die Götter davon überzeugen, Caran auf Nandos Fährte zu bringen, denn schließlich handelte es sich auch hier um eine Jagd, oder nicht? Falls Nando Sumelis’ kleine Gebete zur Kenntnis nahm, sagte er nichts dazu. Ihn schien einzig das Lager, ihr Vorankommen, das Essen und ihre Fesseln zu kümmern. Dabei waren seine Bewegungen beim Kochen oder Lageraufschlagen genauso sparsam und präzise, wie wenn er sein Schwert polierte, sein Messer schärfte oder die zusammengerollte Sehne aus ihrem Lederbeutelchen nahm und seinen Bogen spannte. Er zeigte nicht, ob er bemerkte, dass Sumelis ihn unter gesenkten Wimpern beobachtete. Die meiste Zeit, die sie mit untätigem Warten verbrachten, tat er so, als sei sie nicht vorhanden.
    In einer Geste, die mittlerweile so vertraut geworden war, dass sie gedankenlos geschah, griff Sumelis an ihren Kopf und berührte die abgeschnittenen Strähnen, die ihr gerade noch bis zum Ansatz des Nackens fielen. Wirr und zerzaust wurden sie von einem Band zusammengehalten; Sumelis konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal mit Wasser in Berührung gekommen waren. Auch ihre Kleider, ihr Rock aus feinem Leinen und ihre Bluse waren verschmutzt und zerrissen. Die Beinlinge, die Nando ihr eines Abends, nachdem er abermals den ganzen Tag über fort gewesen war, in die Hände gedrückt hatte, waren an den Innenseiten ihrer Schenkel aufgerauht, und ihre zerschlissenen Schuhe zogen das Wasser an wie durstige Münder aus Leder. Wenn Nando sie in die Berge führte, würde sie wahrscheinlich an Erfrierung oder Unterkühlung sterben, noch bevor sie das vindelikische Gebiet hinter sich ließen. Als Sumelis Nando darauf ansprach, zuckte dieser jedoch nur mit den Achseln.
    »Wir werden dem Tal des Enos’ folgen«, sagte er. »Dort wird es genug Gelegenheit geben, dich auszurüsten. Im Osten grenzen die Noriker an das Gebiet, und noch vor dem ersten Pass warten meine Verbündeten.«
    »Wer sind deine Verbündeten?«
    »Tiguriner.«
    Ein Unterstamm der Helvetier. Kelten. Sumelis nickte nachdenklich. Die enge Verbindung zwischen Helvetiern und Kimbern bestand schon seit langem. Atharic, später dann Caran, hatte ihr davon erzählt.
    »Seit wir im letzten Sommer die Berge überquert haben, hat sich in dem Gebiet einiges verändert«, fuhr Nando fort. »Die Möglichkeiten deines Großvaters, uns zu fassen, werden mit jedem Schritt geringer werden. Bald schon werden wir auch tagsüber reisen können.«
    »Du willst mich über die Pässe bringen? Auf die andere Seite der Berge?«
    »War das nicht klar?«
    Nein. Ja.
Sie wusste selbst nicht, was sie gedacht hatte. Dass sie Geisel der Noriker oder eines anderen Stammes sein sollte, die einen Kimbern auf sie angesetzt hatten, um ihre Spuren zu verwischen? – Lächerlich! Oder ein Pfand für die sichere Rückkehr der Kimbern aus Italien und deren freies Geleit durch das Land der Vindeliker? Oder doch eine Gefangene der Druiden, die sie fortschleppten, um sie an einem geheimen Ort in den Bergen festzuhalten, und die einen Nordmann auf sie ansetzen, weil sie selbst um ihre unsterblichen Seelen bangten? Keine dieser Erklärungen vermochte Sumelis völlig zu überzeugen.
    »Wieso schaffst du mich über das Gebirge? Was erwartet mich dort?«
    Nando verdrehte die Augen. »Das wirst du noch früh genug erfahren.«
    »Aber die Pässe sind noch gar nicht passierbar!«
    »Dieser wird es sein. Ich habe ihn vor wenigen Monaten selbst überquert. Sogar mit dir wird es ein Kinderspiel sein.«
    Sumelis hatte ihre früheste Kindheit in den Bergen verbracht, sie wusste

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