Der Fluch der Druidin
Erfahrung gebracht hatten. Am Ende wandten sie sich übergangslos an Caran. »Kannst du dir denken, weshalb ein Kimber Sumelis oder Talia entführen sollte?«
»Nein, ich bin genauso ratlos wie ihr. So etwas hätte ich niemals vermutet. Ich hatte gedacht, es wären Druiden gewesen.«
»Jetzt sieht es so aus, als hätten sie nichts weiter damit zu tun.«
Caran nickte, doch sein Stirnrunzeln vertiefte sich. »Dieser Kimber soll wirklich direkt nach der mächtigsten Zauberin der Vindeliker gefragt haben?«, vergewisserte er sich. »Er kannte deinen und Sumelis’ Namen?«
»So scheint es. Zumindest wusste er, dass du eine Zauberin als Tochter hast.«
»Und ihr seid ebenfalls sicher, dass dieser Mann Sumelis zu den Kimbern bringen will? Dass er nicht auf eigene Faust arbeitet, ein Ausgestoßener oder Söldner?«
»Der Druide schien davon überzeugt zu sein. So oder so ist es die einzige Spur, die wir haben.« Atharic schaute Talia an, während er antwortete. Sie hielt den Kopf gesenkt, aber ihre kalten Finger glitten in seine Hand und stimmten ihm lautlos zu. »Wir müssen davon ausgehen, dass es wahr ist.«
»Von Kimbern entführt.« Catuen war so blass wie die Hauswand in ihrem Rücken. »Wer hätte so etwas ahnen können?«
Atharic ließ Talias Hand fahren. »Was weißt du von ihnen, Caran?«
»Von den Kimbern?«
»Ja. Wo sind sie jetzt? Was planen sie?« Atharic zählte die Fragen an den Fingern ab. »Wer sind ihre Verbündeten? Gab es weitere Kontakte zwischen ihnen und dir, deinen Feinden oder sonst wem, von dem du weißt?«
»Ich glaube, ich besorge uns erst einmal etwas zu essen.« Catuen stand auf und durchquerte die leere Halle. Ihre leichten Schritte ließen das Holz des Fußbodens nur leise knarren. Der Rest der Familie blieb in der hintersten Ecke der Halle sitzen, dort, wo kein Fenster war, am weitesten entfernt von der Tür, nahe dem Durchgang zu Caran und Catuens Schlafgemach. Bündel getrockneter Kräuter hingen hier von den Balken des über der Halle offenen Dachstuhls herab, allerdings verströmten sie keinen Duft mehr. Eine verdorrte Blüte rieselte herab, als eine Maus über einen der Balken flitzte und sofort wieder verschwand.
Caran lehnte sich auf der Bank zurück und rieb sich den Nacken. »Was wisst ihr denn über die Kimbern? Wo soll ich anfangen?«
»Wir wissen, dass sich die Teutonen vor einiger Zeit mit den Kimbern vereinigt haben und dass sie nach Italien aufgebrochen sind. Das ist im Grunde alles.«
»Dann beginne ich wohl lieber von vorne.« Caran überlegte einige Herzschläge lang. »Ihr erinnert euch sicher daran, dass die Kimbern zur selben Zeit, als ihr vor zehn Jahren in den Norden aufgebrochen seid, zu den Helvetiern zogen. Ja? – Gut. Jedenfalls betrachteten die Helvetier den auf ihren Zügen erbeuteten Reichtum der Kimbern mit Staunen und lauschten ihren Geschichten mit noch mehr Bewunderung. Sie wurden zu ihren wichtigsten Verbündeten, allen voran einer ihrer Unterstämme, die Tiguriner. Letztlich halfen sie sogar dabei, dass die Kimbern von den Sequanern, einem Stamm westlich des Rhenos’, als Söldner angeheuert wurden. So gerieten die Kimbern zwischen die Fronten verschiedener Stammeskriege. Doch das Nordvolk zählte zu viele, sie verlangten immer mehr Reichtum und Land für ihre Familien. Es kam zu Streitigkeiten mit den Sequanern selbst, die sie gerufen und angeheuert hatten. Letztlich mussten die Kimbern weiterziehen. Um die Geschichte abzukürzen: Während die Kimbern also von Stamm zu Stamm, von Gebiet zu Gebiet zogen, gerieten sie dabei natürlich auch in den Machtbereich der Römer. Sie baten diese um Land, die Römer lehnten das allerdings ab. Krieg war unvermeidlich. Die größte Schlacht entschied sich vor vier Jahren an einem Fluss, der Rhodanus genannt wird. Die Kimbern siegten und vernichteten die römischen Legionen komplett. Wären sie damals nach Italien eingefallen, hätten sie Rom womöglich schneller erobert, als deren Geschichtsschreiber die Ereignisse hätten festhalten können. Aber das taten sie nicht. Vielmehr drehten sie um und begannen abermals, umherzuziehen. Erneut gerieten sie in Auseinandersetzungen mit ansässigen Stämmen und Stammesverbänden, bis schließlich – und das wisst ihr bereits – ihre nordischen Brüder, die Teutonen, zu ihnen stießen und sie gemeinsam den Einfall nach Italien planten. Dem Plan entsprechend überquerten die Teutonen zusammen mit den Ambronen weit im Westen das Gebirge und fielen von dort nach
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