Der Fluch der Druidin
mir ruhig früher sagen können, was für einen genügsamen Gast ich habe, dann hätte ich meine Kochkünste weniger bemüht. Und ich dachte schon, ich würde mir nur einbilden, du hättest auf unserer Reise zugenommen.«
Es war ein Scherz, sanfter Spott, mit einem Zwinkern zu etwas gemildert, was beinahe Kameradschaft war. Sumelis konnte es kaum glauben. Noch erstaunter war sie über Nandos unbekümmertes Lächeln, mit dem er an ihr vorüberging und im Inneren der Hütte verschwand.
Es war ein schönes Lächeln.
Entsetzt, wie schnell auf einmal ihr Herz schlug, fasste sich Sumelis an die Kehle.
Im Inneren des Grubenhauses ertönte ein Fluch, dann erschien Nando wieder in der Tür und drückte ihr einen Eimer in die Hand. Seine Finger strichen unabsichtlich über ihren Handrücken, nur ganz leicht, dennoch stark genug, damit sie zusammenzuckte.
Sonst hatte er stets darauf geachtet, sie so wenig wie möglich zu berühren.
»In Ordnung, ich verstehe, was du meinst«, sagte er, ohne ihren verwirrten Gesichtsausdruck zu bemerken. »Im Stall stehen Kühe. Wenn du uns Milch besorgst, sehe ich zu, dass ich irgendetwas auftreibe, was noch nicht angeschimmelt ist.«
Wie eine Schlafwandlerin setzte sich Sumelis in Bewegung. Die Hunde knurrten leise, als sie an ihnen vorbeiging, und die tigurinischen Krieger hielten bei ihrem Anblick in ihren Gesprächen und Handgriffen inne, was Sumelis allerdings kaum bemerkte. Gefangen in einem ungeahnten Chaos aus Gefühlen, die sie am liebsten ignoriert hätte, molk sie zwei alte Kühe mit eingefallenen Flanken, deren Euter welk und ledrig waren und nur wenig Milch gaben. Auf dem Rückweg zeigte ihr ein Blick in eine Pfütze eine abgerissene junge Frau in schmutzigen, nicht sonderlich geschmackvollen Kleidern, deren Haare mehr an ein Vogelnest erinnerten denn an die üppige, seidige Fülle von früher.
Er hat sie mir abgeschnitten!,
erinnerte sie sich.
»Wieso bist du so schweigsam?«, fragte Nando Sumelis später, nachdem sie ihren in Milch gekochten Getreidebrei gegessen hatten und ihre ausgekühlten Knochen am Herdfeuer wärmten. »Hast du Angst? Das brauchst du nicht. Dieser Pass vor uns ist der niedrigste von allen. Du wirst ihn kaum bemerken. Lass dich vom Schnee nicht beunruhigen; die Straße ist frei und einigermaßen gut begehbar. Du musst die Überquerung also nicht fürchten.«
»Der Pass ist eine Grenze.« Sumelis mied seinen Blick. Lustlos stocherte sie mit den Fingern in den Resten ihres Essens. »Es kommt nicht darauf an, wie hoch er ist und wie gefährlich. Ich frage mich, ob ich, wenn ich ihn überschreite, jemals wieder zurückkehren werde. Er ist eine Grenze zwischen meinem Leben und …« Sie ließ den Satz unvollendet. Es war nicht der Tod, den sie fürchtete, aber es wunderte sie keineswegs, dass Nando sie falsch verstand.
»Ich habe dir versprochen, dass dir kein Leid geschieht.« Nandos Haltung, mit der er auf einem Fell vor dem Feuer lag, war so entspannt, wie sie es noch nie bei ihm gesehen hatte. »Ich mag meine Fehler haben, aber meine Eide halte ich. Ich weiß genau, dass ich dir mein Leben schulde.«
»Das tust du nicht!« Ihre Heftigkeit erstaunte sogar sie selbst.
Nando hob die Augenbrauen, und das Licht der niedrigen Flammen verwandelte das Grau seiner Iris in glühendes Silber. »Ich kenne viele Männer, die alles Mögliche dafür geben würden, bei mir eine Lebensschuld einfordern zu können.«
»Ich bin kein Mann und schon gar niemand von denen, mit denen du dich sonst umgibst!«
»Das habe ich bereits bemerkt.«
Ihr Blick huschte zu ihm hinüber, verwirrt und nicht sicher, auf was er gerade geantwortet hatte, dann schaute sie wieder weg. »Du könntest mich freilassen, um deine Lebensschuld bei mir zu begleichen«, schlug sie ohne großen Nachdruck vor.
»Ich habe auch eine Lebensschuld meinem König gegenüber. Mehrere sogar – und ältere. Außerdem bist du immer noch meine Gefangene.«
»Das heißt also, im Grunde bedeutet eine Lebensschuld gar nichts! Nichts als leere Worte, sinnloser Pathos, um am eigenen Stolz Gefallen zu finden!«
»Doch, sie bedeutet etwas.« Nando kramte in einem Beutel an seinem Gürtel. Er beförderte ein beinernes Objekt zutage, das er ihr mit einem weiteren irritierenden Lächeln in die Hand drückte. »Das hier zum Beispiel.«
Sumelis starrte auf den Kamm in ihrer Hand. Kühl und glatt lag er auf ihrer Haut, mit einem Pferdekörper als Griff, dessen Kopf eine fein angedeutete Mähne und stolze Züge
Weitere Kostenlose Bücher