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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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niemals einen lebendigen Menschen auf diese Art geopfert – auch wenn viele vorgeschlagen haben, sie sollten es in meinem Namen versuchen. Vielleicht würde es helfen.« Keiner der beiden Anwesenden kümmerte sich um die Bitterkeit in seiner Bemerkung. Sie lachten nicht einmal höhnisch, wie sie es sonst stets getan hatten.
    »Es kann auf jeden Fall nicht schaden.« Boiorix richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Der Krüppel musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können, dabei glitt sein Blick über die sich wölbenden Muskeln von Boiorix’ Oberkörper und dessen lockige Brusthaare. Unwillkürlich berührte er seine eigenen Oberarme und sank noch ein wenig mehr in sich zusammen.
    »Ein Opfer für die keltischen Götter«, fuhr Boiorix fort, »und eines für unsere: Ich werden diesen verdammten Silberkessel in den Norden schicken, in unsere alte Heimat. Er soll in der Erde, die mein Geburtsblut getrunken hat, Donar geopfert werden, damit er uns in Italien nicht völlig vergisst und sich an unseren Siegen freuen kann!«
    Rascil klatschte begeistert in die Hände. »Ein guter Plan! Ich werde sofort alles vorbereiten lassen!« In einer wirbelnden Bewegung aus weißem Leinen und grauem Haar eilte sie davon. Der Krüppel wollte ihr folgen, wurde jedoch von Boiorix, der gerade in ein Hemd schlüpfte und nach seinen Waffen griff, zurückgehalten.
    »Wenn auch dieses Opfer nicht hilft, Krüppel, hängt alles von dem Rat, den Ihr mir gegeben habt, ab. Ich hoffe, das ist Euch bewusst.«
    »Das ist es, Herr.«
    »Ihr mögt wie ein Narr ausschauen, aber Ihr seid nicht immer einer. Wenn sich Euer Rat als schlecht erweist oder gar Nando nicht zurückkehren sollte, werdet Ihr dafür büßen – Geisel hin oder her. Der Arm Eures fürstlichen Bruders ist nicht lang genug, um Euch zu retten. Das Land der Helvetier ist weit weg.«
    Als ob mein Bruder mich retten würde! Er war froh, mich loszuwerden,
dachte der Krüppel. Laut sagte er: »Ob Nando zurückkehrt oder nicht, liegt nicht in meiner Macht.«
    »Nein, natürlich nicht. Ihr habt einen scharfen Verstand, und das schätze ich an Euch, aber Nando ist die beste Waffe, die ich besitze. Ich wäre sehr ungehalten, sollte er sterben, so oder so.«
    »Ich weiß, dass er Euch wie ein Sohn ist.«
    »Dann betet für ihn, Krüppel! Betet zu Euren Göttern, dass sein Tod aus einer Geisel keinen toten Narren macht!«
     
    Sie hatten das Tal des Enos’ vor zwei Tagen hinter sich gelassen und waren nach Süden abgebogen, in ein Nebental, dem eine ausgefahrene Straße folgte. Immer wieder flankierten gebrochene Achsen, Räder, deren Beschläge vor sich hinrosteten, Joche oder gar ganze Wägen sowie Pferde- und Rindergerippe Fahrrillen und Schlaglöcher und zeugten vom Durchzug der Kimbern im letzten Jahr. Viele der Höfe im Tal schienen verlassen, einige waren ausgebrannt, andere wiesen mit Balken und Brettern vernagelte Türen auf. Manchmal hörte Sumelis irgendwo noch schnell eine Tür schlagen oder Hundebellen, dann war wieder alles still – ein bedrohliches, tödliches Schweigen, das die feinen Härchen in ihrem Nacken kitzelte.
    »Wir sind dem Pass nahe«, erklärte Nando. »Er wird von den Tigurinern, unseren Verbündeten, gehalten. Viele der einstigen Bewohner der Gegend sind in angrenzende Täler geflohen und warten darauf, dass die Tiguriner abziehen, der Handel über den Pass wieder öffnet und sie auf ihr Land zurückkehren können.«
    »Was bedeutet das für uns?«
    »Es bedeutet, dass wir jetzt sicher sind.«
    Sumelis konnte Nandos neu gefundenen Optimismus nicht teilen. Entgegen seiner ersten Aussage hatten sie einen Großteil der Strecke das Tal entlang nachts zurückgelegt – zu viel Gesindel, hatte Nando gesagt. Zweimal hatten sie auf schneebedeckten, kaum erkennbaren Saumpfaden entlang steiler Hänge, wo sie die Pferde an den Zügeln führen mussten und bei jedem Tritt ins Rutschen gerieten, Straßen- und Zollsperren der vindelikischen Stämme umgangen. Später, als der Einfluss der Vindeliker nachließ und das Gebiet der Bergstämme begann, hatte Nando sich ihren Weg mit Gold erkauft. Erst seit sie dem Enos den Rücken gekehrt hatten, hatte Nandos angespannte Haltung mit jedem Schritt, den die Pferde taten, nachgelassen. Nun musterte er die Umgebung mehr mit Erwartung denn mit Wachsamkeit. Er hatte sogar die Ärmel seines Hemds hochgekrempelt und sich mit Kohle einen Pfeil, dessen Schaft am Ellbogen begann und dessen Spitze kurz unter

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