Der Fluch der Druidin
Fürsten Brigantions, der einen Gelehrten griechischer Abstammung seinen Freund und Gast nannte und dessen Sohn wiederum nach Alte-Stadt gekommen war, um Caran zu unterrichten. Seitdem nannte Caran ein ganzes Sortiment an beinernen Schreibgriffeln und mit Wachs überzogenen Holztafeln sein Eigen. Catuen verzweifelte bereits an seinen ständigen Schreibübungen, denn Caran ritzte in fast alles – Tonscherben, Holz, sogar in Lehmfußböden – irgendwelche Zeichen, die ihn glücklich erstrahlen ließen, allen anderen aber nichts sagten, und die er im Übrigen sofort wieder beseitigen ließ, weil er nicht wollte, dass die Druiden von seinem Unterricht erfuhren.
»Ein Spielzeug.« Talia nickte versonnen. »Ja, das habt Ihr schön gesagt. Ein neues Spielzeug für meinen alles wissen wollenden Vater.«
»Klingt fast so, als würdet Ihr selbst nicht alles wissen wollen. Seid Ihr denn nicht neugierig?«
»O doch, sehr sogar. Aber wenn Neugierde in einen Quell blickt, blickt manchmal ein Ungeheuer zurück.«
»Ihr seid noch nicht alt genug für diese Weisheit. Zumindest seht Ihr nicht so alt aus.«
»Ihr schmeichelt mir. Aber redet ruhig weiter!«
Einige Herzschläge verstrichen in freundschaftlichem Schweigen, währenddessen Talia in ihre Sandalen schlüpfte und den Blick von der auf einem Sporn errichteten Wehranlage Brigantions, hinter der Rauch in den Himmel stieg, zur Siedlung schweifen ließ, die sich ein Stück westlich auf einer flachen Terrasse über dem See erhob. Sie konnte nicht viel erkennen, aber das Ganze machte auf sie einen weitaus weniger hektischen Eindruck als Alte-Stadt, was nicht nur an der viel geringeren Größe lag.
»Das Abendessen wird gleich fertig sein.« Der Fürst bot Talia seinen Arm an. »Wir sollten Euren Mann suchen und zu meiner Halle gehen, bevor es kalt wird.«
Sie fanden Atharic auf einer von blühenden Apfelbäumen flankierten Weide, auf der der Stolz des brigantischen Fürsten graste: hochgewachsene Pferde in allen Farben mit schlanken Fesseln, stolz gebogenen Hälsen und glänzendem Fell, Schweif und seidiger Mähne. Talia konnte schon auf zweihundert Schritt Entfernung Atharics Entzücken daran erkennen, wie seine Hände über Flanken strichen, Mäuler öffneten, Hälse tätschelten und Fesseln begutachteten.
»Ich habe Eurem Mann gesagt, er könne sich unter den besten meiner Pferde zwei aussuchen, die Euch sicher tragen werden«, erklärte der Fürst, »aber wie ich feststelle, muss ich aufpassen, dass er nicht gleich die ganze Herde nimmt.«
Auch Talia war von den edlen Tieren begeistert. »Welche nehmen wir?«, fragte sie Atharic und lockte eine wunderschöne Fuchsstute mit samtweichem Maul und einer Blesse auf der Stirn zu sich her. »Hast du schon welche ausgesucht?«
»Ja, aber keines von diesen hier.« Atharic wedelte geistesabwesend zum Weidezaun hinüber, an dem zwei struppige kleine Ponys angebunden waren. »Diese beiden dort!«
Talias Seufzer hätte selbst einer Krähe Tränen entlockt. »Wieso bin ich nicht überrascht? Hässlich genug sind sie ja, dass du dich sofort in sie verlieben musstest!«
»Eine gute Wahl«, nickte ihr Gastgeber und tauschte ein einvernehmliches Grinsen mit Atharic. »Diese beiden sind unsere besten Bergponys. Wir wollten sie eigentlich nur noch zur Zucht hernehmen, denn sie sind nicht mehr ganz jung, aber sie sind noch immer sehr ausdauernd.«
»Sie sind erfahren. Nichts wird sie scheu machen.« Atharic drückte Talia einen Kuss auf die Stirn. »Mit den Jahren gewonnene Gelassenheit. Genau das Richtige für dich.«
»Nun, es sind zumindest nicht meine Beine, die auf dem Boden schleifen werden.«
»So klein sind sie auch wieder nicht!«
»Das Essen wartet!«, warf ihr Gastgeber ein, der nicht ganz sicher schien, ob er das Ehepaar beschwichtigen sollte. »Wir sollten gehen. Ich werde veranlassen, dass sich jemand der beiden Ponys annimmt und sie für Eure Reise vorbereitet. Ihr braucht Euch um nichts zu kümmern.«
»Wie geht es morgen weiter?«, erkundigte sich Atharic, während sie zum Hof des Briganters zurückgingen. »Eure Gastfreundschaft ist wunderbar, aber wir können sie leider nicht lange in Anspruch nehmen. Wir wollen morgen früh weiter. Ich hoffe, das beleidigt Euch nicht.«
»Nein, keineswegs. Ich habe für Euch eine Eskorte zusammengestellt. Sie wird morgen mit Euch aufbrechen und Euch sicher bis zum Gebiet der Suaneten geleiten.«
»Und dann?«
»Dann wird Euch Unangenehmeres drohen.«
»So genau wollte ich
Weitere Kostenlose Bücher