Der Fluch der Finca
Eindruck, er hätte sie
angeblafft. Das machte es ihr nicht leichter. Sie holte noch einmal tief Luft und setzte
neu an.
„Ich habe keine guten Nachrichten für dich. Mr. Tirado möchte nicht verkaufen.“
Sie schluckte, als sie sah, wie Jakes Gesicht sich zornig verzog.
„Es tut mir leid, mein Liebster. Es war wohl sehr wichtig für dich?“
„Dieser verdammte Mistkerl!“
Jake drehte sich um und rannte durch das Wohnzimmer zur Haustür. Dort blieb er noch
kurz stehen und rief Michelle sarkastisch zu:
„Tolle Freunde, die du da hast, Kleines. Wirklich große Klasse. Ich hoffe, du hast noch
einen schönen Tag. Nimm dir ruhig noch von meinem Wein!“
Jake verließ die Wohnung und knallte die Tür hinter sich zu. Michelle blieb geschockt
zurück. Machte er sie etwa dafür verantwortlich, dass es nicht geklappt hatte? Glaubte
er, sie hätte sich nicht genügend angestrengt? Ihr war hundeelend zumute. Einerseits,
weil sie Jake enttäuscht hatte, aber andererseits auch, weil er sie enttäusch hatte. Wie
konnte er sich ihr gegenüber nur so unmöglich verhalten?
„Dann hau doch ab!“ Der Schrei kam nicht halb so laut über ihre Lippen, wie sie es
beabsichtigt hatte. Sicher hatte er sie im Treppenhaus nicht mehr gehört.
„Was soll ich denn jetzt machen“, flüsterte sie resigniert. In die Finca zurück konnte sie
doch nicht. Und sollte sie nun heute Nacht in den Club fahren? Erwartete Jake sie?
Genau genommen hatte er sie ja nicht hinausgeworfen. Er war selbst gegangen. Harry
hatte damals nach ihren wenigen aber manchmal durchaus heftigen Streits auch hin
und wieder die Wohnung verlassen und die Tür hinter sich zugeschlagen. Männer
gingen unangenehmen Situationen gern aus dem Weg. Draußen kühlten sie sich dann
meist schnell wieder ab.
Der Schreck steckte ihr zwar noch in den Knochen, aber sie vertraute darauf, dass Jake
sich bis zum späten Abend beruhigen würde. Sie würde also wie gewohnt im Club
auftauchen und hinterher dürfte einer heißen Versöhnung nichts mehr im Wege stehen.
Sie bemerkte, dass sie hungrig war. Zeit, in die Stadt zu gehen und in ihrem neuen
Lieblingsrestaurant die Erforschung der Speisekarte voranzutreiben.
Palmas Flair schaffte es auch heute wieder, Michelle in Hochstimmung zu versetzen. Es
dauerte zwar ein wenig, aber schließlich stellte sich das Gefühl nach Urlaub und
Abenteuer doch noch ein. Als sie gegen zehn beschloss, sich ein Taxi zu nehmen, um
in den Club zu fahren, hatte sie schon keinerlei Zweifel mehr, dass Jake wieder der Alte
sein würde, wenn sie ankam.
Den Doorman begrüßte sie mittlerweile wie einen alten Freund. Jake hatte ihn
letztendlich doch nicht gefeuert. Nachtragend war er also nicht. Impulsiv vielleicht, aber
nicht nachtragend.
Michelle setzte sich an ihren Stammtisch in der roten Bar. Gleich musste Jake mit
einem Mai Tai für die und einem Wodka für sich auftauchen. Man hatte ihm natürlich
sofort mitgeteilt, dass sie eingetroffen war, das hatte sie mitbekommen.
Die Musik war gut. Sie musste unwillkürlich mit den Füßen wippen. Dann sah sie ihn
auch schon. Jake kam aus seinem Büro, hinten beim DJ-Pult. Er schrie dem DJ etwas
ins Ohr, klopfte ihm auf die Schulter und macht sich dann auf seine obligatorische
Runde. An jedem Tresen wurde ein kurzer Lagebericht eingeholt und es gab
Anweisungen für die Bedienungen. Die rote Bar war immer zuletzt dran.
Als auch das abgehakt war, kam er zu ihr. Sie stand auf, lächelte ihn an und wollte ihm
zur Begrüßung einen Kuss geben. Doch er wehrte ab.
„Ist viel Stress heute, Kleines. Ich habe leider keine Zeit, mich um dich zu kümmern.
Das verstehst du doch, oder? Bestelle dir, was du möchtest. Du weißt ja: Geht aufs
Haus. Ich muss dann jetzt wieder. Amüsiere dich gut.“
Dann drehte er sich tatsächlich um und ließ sie stehen. Kein Kuss, keine Umarmung.
Michelle blieb zurück wie ein abgestellter Koffer.
„Was war das denn jetzt?“
Sollte sie sich jetzt den ganzen Abend allein unterhalten? Und was sollte das
überhaupt?
Gut möglich, dass es heute ein stressiger Abend war und auch, dass er wenig Zeit
hatte, konnte Michelle sich noch vorstellen, aber warum vermied er es, sie zu berühren?
Da hatte etwas Distanziertes in seinem Blick gelegen, das mit Stress oder Hektik nichts
zu tun haben konnte. Er war ja höflich gewesen, nur eben nicht herzlich.
„Er ist doch noch nicht drüber hinweg“, seufzte sie und akzeptierte, dass es heute ein
wenig
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