Der Fluch der grünen Steine
jetzt grauen Leinenanzug. Um den Hals hatte er ein Tuch gebunden, den Kopf bedeckte der typische, breitrandige, geflochtene Hut. Auch dieser war an manchen Stellen eingerissen. Ein grüner Seesack und eine umgehängte ehemalige Militärtasche aus Segeltuch waren das ganze Gepäck der abenteuerlichen Erscheinung.
Der Mann trat an den Jeep, lehnte sich an den Kühler und sah Mohr mit einem breiten Lächeln an.
»Warum halten Sie?« fragte er.
»Warum nicht? Sie haben den Daumen hochgehalten.«
»Das mache ich seit drei Stunden. Bisher hat keiner gebremst. Einer hat mich sogar im Vorbeifahren beschossen. Einfach so. Aber bei schnellem Fahren kann man nicht gut zielen.« Er warf einen Blick auf Mohrs Bauch und grinste breit. »Auch schußbereit, was? Gute Kanone, die Sie da haben. Ganz neu! – Nehmen Sie mich mit?«
»Wohin?« fragte Dr. Mohr verschlossen.
»Wo fahren Sie hin?«
Der Mann setzte sich auf den Nebensitz, nachdem er um den Jeep gegangen war. Mit der Hand klopfte er gegen das Schnellfeuergewehr in der Halterung.
»Die ist gut!« fügte er hinzu. »Aber anfällig gegen Feuchtigkeit. Muß immer trocken sein. Wo Sie hinwollen, ist aber viel Wasser. Bergbäche, Regenwälder, überflutete Höhlen …«
»Wo will ich denn hin?« fragte Mohr wortkarg.
»Wo wir alle hinwollen, Camarada.« Der Mann hielt seine Hand hin. Erstaunlicherweise hatte er keine dreckigen, schwieligen Hände. Sie wirkten eher gepflegt. Glatthäutig. »Ich heiße Cristobal Montero.«
»Pedro Morero.«
»Ist das ein Zufall!« jubelte der Bärtige. »Morero – Montero! Wir müßten gut zusammenpassen! Natürlich fahren Sie nicht nach Muzo, sondern nach Penasblancas. Nehmen Sie mich mit?«
»Sie sitzen ja schon neben mir.«
»Sie könnten mich wegfeuern! Ich kann Ihnen nicht antworten, da ich unbewaffnet bin.«
»Und da wollen Sie nach Penasblancas? Sind Sie ein Irrer?«
»Nicht direkt! – Ich bin Priester.«
»Bravo!« Dr. Mohr lachte laut. Er schlug in die hingestreckte Hand ein, drückte sie und war versucht, ebenfalls seine Identität preiszugeben. Im letzten Augenblick verwarf er den Gedanken. Nein, bleib, was du sein willst: Pedro Morero, ein Glückssucher, ein Abenteurer, ein künftiger Guaquero. Den Deutschen sieht dir keiner an. Dein Spanisch ist gut. Tauche ein in die fremde Welt, ins letzte große Abenteuer dieser Erde. »Ein Pfaffe!«
»Vom Orden der ›Grünenden Dornenkrone‹.«
»Die werden Sie nötig haben, Don Montero. Wollen Sie unbedingt Märtyrer werden, Pater?« Er zeigte auf den am Straßenrand stehenden Seesack. »Steigen Sie aus und machen Sie's wie Ihr Gepäcksack: Kleben Sie am Boden!«
»Und Sie?« Pater Cristobal lehnte sich auf dem stählernen Jeepsitz zurück. »Was soll ich Ihnen raten? Rückkehr ins Bett einer schönen Señorita?«
»Hui! Das sagt ein Priester?!«
»Wir kennen die Welt.« Der Pater sah Mohr ernst an. »Sie sind kein Smaragdsucher …«
»Du lieber Gott, woran sieht man das?!«
»Sie haben noch viel zuviel Zivilisation an sich hängen! Aber das ändert sich schnell! – Was treibt Sie nach Penasblancas?«
»Smaragde! Ich will anfangen, zugegeben, aber ich habe große Chancen in den verlassenen Minen.«
»Das sagen alle und verwandeln sich in kurzer Zeit in Ratten.«
»Ich bin Geologe. Ich suche gezielt.«
»Die anderen zielen auch. Mit Revolvern und Gewehren, Messern und Macheten.«
»Und Sie, Sie kluger Pfaffe?« sagte Mohr ziemlich grob. »Wenn Sie zum erstenmal das Kreuz heben, heißt das für die anderen: Feuer! Sie exekutieren sich selbst, Pater.«
»Irrtum! Da hinten in den Bergschluchten und Wäldern, an den Wildwassern und Höhlen, auf den Straßen und in den Saloons wird täglich gemordet. Und dann geschieht ein Wunder: Jemand geht hin und legt dem Toten ein Kruzifix auf die Brust. Und wenn er in der Erde liegt, steht ein Kreuz über ihm, und wenn's ein schiefes Kreuz aus Krüppelholz ist! Es ist ein Kreuz!« Pater Cristobal stieg aus, wuchtete seinen Seesack in den Jeep, knallte ihn auf Mohrs Aluminium-Arztkoffer und schwang sich wieder auf den Sitz. »Los geht's, Pedro Morero! Bin froh, daß gerade Sie gehalten haben. Ich ahne es: Sie haben mich nötig!«
»Ich bin aus der Kirche ausgetreten, Pater!« knurrte Mohr. »Wegen Unglaubwürdigkeit der Predigten.«
»Recht hatten Sie, Pedro. Es ist schlimm, als Satter für Satte zu predigen. Aber wohin wir jetzt kommen, sind Verhungerte, körperlich und geistig, und wenn sie es auch nie sagen: Gott ist ihnen
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