Der Fluch der grünen Steine
Mal wieder. Vor sieben Wochen genau war nämlich ihr Chef durch einen rätselhaften Messerwurf in den Rücken aus dem Dienst geschieden. Ansonsten war die Straße leer. Nur aus der ›Dancing Bar‹ tönte laute Musik. Amerikanischer Rock.
Dr. Mohr sah sich um. Das darf nicht wahr sein, dachte er. Das ist aus einem alten Hollywood-Film! Eine verkommene Stadt, rundum in den Bergen Feuer und flimmernde Lichter, ein Tanzschuppen, vier einsame Polizisten, die trübe auf ihren neuen Chef blicken. Gespenstisch ist das! Ein maskierter Vorhof zur Hölle.
»Eine friedliche Kleinstadt«, sagte er laut. Die vier Polizisten zuckten zusammen, als rattere eine Maschinenpistole los. Leutnant Salto seufzte, ging in sein neues ›Polizeipräsidium‹ und kam schnell wieder heraus. Der Major, Kommandeur des II. Bataillons, welches ihn bereits nach der Nachricht, er wolle in Penasblancas übernachten, abgeschrieben hatte, blieb im Geländewagen sitzen. Pater Cristobal schielte auf die Tanzbar. Er ahnte ein reiches Missionsfeld.
»Was ist los?« fragte Dr. Mohr.
Leutnant Salto zeigte nach hinten. »Was ist das für ein Weib in der Zelle?« brüllte er. »Unterhält die Polizei hier einen eigenen Puff?! Das Mädchen weint.«
Dr. Mohr ging an den vier Polizisten vorbei und betrat die Polizeistation. Hinter dem großen Dienstzimmer war eine Tür geöffnet und ließ den Blick auf einen Zellentrakt frei. Zwei Zellen waren leer, in der dritten stand ein junges Mädchen, preßte das schmale Gesicht an die Gitter und weinte herzzerreißend. Als es Dr. Mohr sah, hob es den Kopf und atmete tief durch.
Dr. Mohr blieb ruckartig stehen. Eine Madonna, dachte er. Es ist saublöd, ich weiß es … aber das ist eine weinende Madonna. So hätte Velasquez eine Madonna gemalt, ein zartes, schmales Gesicht, umflossen von schwarzen Haaren, ein Gesicht, beherrscht von den Augen und dem Mund. Ein Gesicht, das von innen strahlen kann und selbst im Leid noch einen Glanz ausströmt.
»Weinen Sie nicht«, sagte Dr. Mohr und trat an das Eisengitter. »Wenn ich Ihnen helfen kann, brauchen Sie nicht mehr zu weinen.«
Das Mädchen nickte und starrte ihn ungläubig an. Zum erstenmal in ihrem Leben redete jemand sie mit ›Sie‹ an; zum erstenmal sagte keiner ›Na, kleine Hure!‹ oder ›Verdammtes Bastardaas!‹ zu ihr.
Zum erstenmal war ein Mann höflich, ohne ihr sofort in die Bluse zu greifen.
»Ich heiße Margarita«, sagte sie und unterdrückte ein neues Schluchzen. »Ich habe nichts getan! Ich wollte nur meine Schwester besuchen!«
»Ich werde Ihnen helfen«, sagte Dr. Mohr mit merkwürdig belegter Stimme. »Verlassen Sie sich nur auf mich. Ich hole Sie hier heraus.«
Das Mädchen sah ihn mit großen erstaunten Augen an. Dr. Mohr warf ihr noch einen aufmunternden Blick zu, wandte sich ab und verließ den Zellentrakt.
Vor der Tür der Polizeistation schrie Leutnant Felipe Salto noch immer herum. Die Polizisten ließen es mit ergebenem und trübem Blick über sich ergehen. Er ist neu hier, dachten sie. Da ist man noch voll Idealismus und will alles ändern, besser machen, überall aufräumen. Das kennen wir, Camaradas, das verflüchtigt sich wie ein lauter Furz, das ist bei allen so, die hier nach Penasblancas kommen und staatliche Gewalt demonstrieren wollen. Nur zwei Dinge bleiben jedoch im Endeffekt übrig: Entweder man stellt sich um, sehr schnell und gründlich – dann lebt es sich auch in dieser Hölle verhältnismäßig gut, oder aber man bleibt stur und endet so wie der Vorgänger. Wer das Messer in seinen Körper geworfen hat, wird nie in Erfahrung gebracht werden, Camarada, brüll noch ein bißchen, das tut gut. Morgen, wenn die Sonne scheint, beginnt ein anderer Tag, auch für dich. Daß Penasblancas so friedlich aussieht, so verschlafen, so treuherzig – das ist nur, weil Christus Revaila den Befehl gegeben hat: Laßt die vier kommen und tut ihnen nichts. Laßt sie ins Leere laufen. Am Smaragdsuchen wird uns keiner hindern.
Pater Cristobal, der ein paar Schritte die Straße hinunter gegangen war und die ›Dancing Bar‹ näher betrachtet hatte, kam zurück und beugte sich in den Geländewagen. Major Luis Gomez hockte noch immer auf dem Sitz, das Schnellfeuergewehr zwischen den Beinen.
»Was sagen Sie nun?« fragte Cristobal Montero. »Ein Städtchen mit friedlich schlafenden Bürgern. Ein paar schwingen das Tanzbein und besaufen sich. Dem Gekreische nach gibt es auch unterhaltsame Damen.«
»Die spielen uns hier ein billiges Stück
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