Der Fluch der grünen Steine
einen guten Ton in der Stimme! Ab nächsten Sonntag bist du Vorsänger in der Kirche.«
»Maria …«, stammelte der Portier. Pater Cristobal nickte freundlich.
»Sie wird dir helfen, Bruder. Du hast recht.«
An dem völlig Sprachlosen vorbei betraten sie das Tanzlokal. Es war ein riesiger Raum mit vielen runden Tischen und einfachen, mehrfach geflickten Stühlen, was bewies, daß man hier Diskussionen mit Stuhlbeinen unterstrich. Auf einigen Tischen lagen sogar Deckchen. Eine Wand wurde von einer den Raummaßen angepaßten gewaltigen Theke beherrscht, hinter der nicht, wie sonst, Regale mit Flaschen oder Gläsern standen, sondern nur die mit indianischen Motiven bemalte Wand bunt und durch von an der Decke angestrahlten Scheinwerfern in den Saal strahlte. Das Auffälligste war die Theke selbst. Sie war verkleidet mit ebenfalls bemalten Stahlplatten. Die Nieten waren deutlich zu sehen und stellten sogar ein künstlerisches Element dar.
»Ein Panzer!« sagte Pater Cristobal sinnend. »Das ist keine Theke, Pedro, das ist ein Panzer! Wer dahinter in Deckung geht, kann nur mit Granaten hervorgelockt werden.« Er ging zu einem der Tische, den ein lustiges Deckchen bedeckte, lächelte die Männer, die daran saßen, wortlos an und zog die Decke weg. In der Tischplatte saßen ein paar häßliche Löcher, die sicherlich nicht der Ventilation wegen hineingebohrt worden waren.
»Das ist alles gespenstisch«, sagte Dr. Mohr leise. »Die Zeit ist zurückgedreht: Leben wir im Wilden Westen?!«
»Ja!«
»Mit allen Zutaten …«
»Nur modifiziert!«
»Und das ist weitaus gefährlicher.«
»Warten wir es ab.« Pater Cristobal ging auf die Theke zu. Getreu allen Anordnungen von Christus Revaila kümmerte sich keiner um sie. Auf dem Holzparkett tanzten die Paare mit wilden Zuckungen und Verrenkungen, die Menschen an den Tischen sahen zu oder unterhielten sich, an der Bartheke hockten ein paar Trinker und schlugen den Takt der Musik mit den Stiefelspitzen gegen die Panzerplatten. Es waren verwegene Gestalten, kräftig, aber von der Arbeit in den Minenstollen ausgemergelt, lederhäutig, mit merkwürdig großen, glänzenden Augen.
Peyotl-Saft, dachte Dr. Mohr. Oder Cocablätterkauen. Oder Tuberkulose, Vitaminmangelerscheinungen. Kinderaugen in Greisenköpfen.
Einen Meter vor der Theke wurden sie aufgehalten. Nicht, daß man sie festhielt oder hinderte, anrief oder sich ihnen in den Weg stellte, nein, sie blieben ruckartig von selbst stehen. Eine Erscheinung, die von der Seite kam, machte es unmöglich, gelassen weiterzugehen. Aus einer kleinen Tür neben der Theke trat eine hochgewachsene und ziemlich fleischige Frau. Mit hochgesteckten, schwarzen Haaren, einem ehemals bestimmt faszinierenden Gesicht, welches nun etwas verquollen und in die Breite gelaufen war, und in dem die Augen steckten wie zwei eben ausgeglühte Kohlenstücke. Sie trug eine Bluse aus gelber Seide über ihrem mächtigen Busen, einen bis zu den Knöcheln reichenden Rock aus geblümtem Cotton und darunter, man sah es beim Gehen deutlich, hohe Stiefel. Um die Taille aber, und das unterschied sie besonders von den anderen Frauen, trug sie einen breiten Ledergürtel, an dem in zwei offenen Halftern die Griffe von zwei Revolvern schimmerten. Die Frau hatte einen männlich-festen Gang und brauchte sich durch die Menge ihrer Gäste gar nicht erst einen Weg zu bahnen. Es bildete sich eine Gasse, die sich hinter ihr wieder schloß.
»Aha!« sagte Dr. Mohr leise. »Die ›Grande Dame‹ des Etablissements. Mütterchen Puff. Cristobal, aus welcher Ecke kommt jetzt John Wayne?! Das ist doch Hollywood!«
»Das ist Penasblancas, Pedro. Wo Menschen sind, wiederholt sich alles. Die Lebensumstände sind begrenzt. Wir merken es bloß nicht, weil wir uns für so vollkommen halten!« Er steckte die Hände in die Taschen seines Leinenjacketts und betrachtete mit deutlichem Wohlwollen die revolverschleppende, imponierende Frauengestalt.
»Es freut mich!« sagte der weibliche Berg und blieb vor ihnen stehen. »Ich bin Mercedes Ordaz.«
Pater Cristobal griff mit der rechten in die Innentasche, zog – zum Entsetzen Dr. Mohrs – eines der kleinen, bunt bedruckten Heiligenbildchen heraus und hielt es Mercedes Ordaz hin. »Die Heilige Mutter segne dich«, sagte er dabei. »Nächsten Sonntag um 11 Uhr vormittags ist die Heilige Messe.«
›Mercedes die Große‹, wie man sie in Penasblancas nannte, griff nach dem Heiligenbildchen, betrachtete es und steckte es dann vorn in ihre
Weitere Kostenlose Bücher