Der Fluch der grünen Steine
wartete, bis auch Dr. Mohr mit geschlossenen Augen das höllische Getränk gekippt hatte. »Ich führe Sie zu Ihren Zimmern.«
An der Schmalseite des Tanzlokals führte eine Treppe nach oben. Mercedes ging voraus, gab einem Betrunkenen, der auf den Stufen saß, einen Tritt und machte auf diese simple Art den Weg frei. Auf dem Podest zum Flur blieb sie stehen.
»Ich habe 22 Zimmer«, sagte sie. »Davon bewohne ich selbst drei. Bleiben 19. Sie, Pedro Morero, bekommen Zimmer 12. Der Pater zieht in Nummer 14 ein. Ich nehme an, Ihre Nachbarn wirken nicht allzu belastend auf Ihr Gemüt.«
»Wer sind unsere Nachbarn?« fragte Pater Cristobal.
»Entzückende, junge Mädchen. Sie arbeiten bei mir als Bedienungen und Tanzpartnerinnen für Junggesellen.«
»So kann man es auch nennen, Señora«, sagte der Pater.
»Sie reden von, ich praktiziere Nächstenliebe!«
Die Zimmer waren groß und einfach eingerichtet. Ein Schrank, ein Tisch, zwei Stühle, ein Waschbecken, ein Spiegel und ein breites Holzbett.
Am wichtigsten schien der massive Innenriegel an der Tür zu sein. Vor den Fenstern – sie gingen zur Straße hinaus – hingen starke Holzläden.
»Es ist kein Hilton!« sagte ›Mercedes die Große‹.
»Für Penasblancas doch!« Dr. Mohr setzte sich auf das Bett. »Was kostet die Übernachtung?«
»Ich kann mir den Luxus leisten, Sie als meine Gäste einzuladen.« Sie drückte die Tür mit ihrem Körper zu und wurde sehr ernst. »Ich setze voraus, daß Sie Gastfreundschaft zu würdigen wissen, Señores, und mein Geschäft für Sie unantastbar ist.«
»Ich bin Arzt, Señora.« Dr. Mohr stand auf, ging ans Fenster und lugte durch einen Spalt der Läden auf die Straße. »Ich werde und muß alles tun, was mir dieser Beruf auferlegt.«
»Meine Mädchen sind gesund! Ich untersuche sie selbst jede Woche!«
»Bravo.«
»Und sie brauchen auch keinen Beichtvater!« Sie sah Pater Cristobal an. »Sie sind zufrieden, verdienen gutes Geld und leben freiwillig bei mir. Freiwillig, Pater!«
»Ich habe das nie bestritten. Die Not ist wie ein Sumpf. Die schönsten Blüten treiben auf fauligem Grund.«
»Sie werden Penasblancas bald wieder verlassen.«
»Glauben Sie?«
»Ich weiß es. Jeder Mensch braucht einen Arzt und einen Priester. Nur diese Menschen hier nicht! Ihr Gott und ihre Medizin sind die kleinen, grünen Steine. Ihre Welt ist zusammengeschrumpft auf das Stollenloch, das sie jeden Tag tiefer in den Berg treiben. Der einzige Sinn ihres Lebens sind grüne Kristalle. Sind durch Beimengungen von Chrom zu grünen Sonnen gewordene Beryll-Mineralien.«
»Deshalb werde ich spätestens nächste Woche auch in die Berge ziehen, Señora«, sagte Dr. Mohr. Mercedes Ordaz sah ihn nachdenklich an.
»Weiß das Christus Revaila?«
»Das kümmert mich nicht.«
»Ohne Revaila – und mir – geht hier nichts, Señor Médico.«
»Es ist immer von Nutzen, wenn man die internen Kräfteverhältnisse kennt«, sagte Pater Cristobal freudig. »Um Christus werde ich mich noch kümmern, ich meine um Revaila-Christus. Sie sind zugegen, Señora, und anscheinend eine Frau, mit der man offen reden kann. In Penasblancas gibt es doch eine Kirche?«
»Gab es, Pater. Aber mangels Priester wurde ein Supermarkt daraus.«
»Ich werde mit dem Inhaber sprechen.«
»Das tun Sie bereits.«
»Sehr tüchtig! Um Wege zu sparen, wo treffe ich Sie sonst noch als Besitzer an?«
»Mir gehört die halbe Stadt«, sagte ›Mercedes die Große‹ milde. »Ein Haus oder ein Zimmer, um eine neue Kirche zu gründen, bekommen Sie hier nicht!«
Sie holte das bunte Bildchen des heiligen Antonius zwischen ihrem Busen hervor, zerriß es und streute die Schnipsel in die Luft.
Pater Cristobal nickte mehrmals.
»Du hast Antonius vor der Versuchung gerettet, meine Tochter.«
Mercedes Ordaz hielt es für unter ihrer Würde, weiter mit dem Pfäfflein zu sprechen. Sie verließ das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
»Du wirst es schwer haben, Cris«, sagte Dr. Mohr nachdenklich. »Ich glaube nicht, daß Portier Miguel in deiner Kirche singt.«
»Wer ist Christus Revaila?«
»Der Statthalter des großen unbekannten Boß! Ich kenne ihn als Don Alfonso. Er kann aber auch anders heißen.«
»Er ist also die andere Hälfte von Penasblancas.«
»Die gefährlichere.«
»Wirklich?« Pater Cristobal ging zur Tür. Sein Zimmer Nummer 14 lag neben dem Dr. Mohrs. Dieses Hünenweib forderte mehr als Gegnerschaft. Sie ist intelligent und grausam bis in die letzte
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