Der Fluch der grünen Steine
setzte bei ihm der Herzschlag aus. Nun stieg auch Maria Dolores von ihrem Muli und ging mit ruhigen Schritten ihrem Mann und Margarita nach. Der Mann oben im Stollen zielte noch immer, aber er drückte nicht ab. An der ›Veranda‹ des armseligen Hauses, einem Vordach aus Knüppelholz, Brettern, geflochtenem Reisig und Strohmatten, blieb Adolfo Pebas stehen und winkte Dr. Mohr zu.
»Kommen Sie, Doctor. Wir sind zu Hause. Oder bereuen Sie Ihre Entscheidung schon? Zurück können Sie jetzt nicht mehr. Unsere Wachen haben Sie hineingelassen, aber heraus kommen Sie nicht mehr allein.« Er lachte laut, als er Dr. Mohr zu dem Stollen starren sah, und brüllte: »Es ist gut, Pepe! Alles in Ordnung.«
Der Mann hinter dem Stein verschwand. Das Gewehr wurde zurückgezogen. Mit steifen Beinen rutschte Mohr von seinem Muli und ging auf das Haus zu. Margarita und ihre Mutter waren bereits in der großen Wohnhöhle verschwunden. Pebas lud das Packtier ab.
»Ich habe mich dämlich benommen, was?« fragte Dr. Mohr.
»Wegen Pepe? Woher sollten Sie Bescheid wissen? Pepe Garcia ist unser Nachbar. Er paßt auf unser Haus auf, wenn wir in die Stadt gehen. Aber das ist mehr symbolisch. Pepe ist halb blind. Dafür sieht er doppelt gefährlich aus. Er ist – glaube ich – der älteste Guaquero im Minengebiet. Als die staatlichen Gruben noch funktionierten und Penasblancas eines der armseligsten Dörfer war, bewohnt von ein paar Chibcha-Indianern, schürfte er schon heimlich nach Smaragden. Dann fand man auch in diesem Gebiet zwar Smaragde, was Pepe zwar längst wußte, aber er hatte keine Werkzeuge, um an die Adern heranzukommen. 20 Jahre wühlte er sich durch den Berg, nur mit einer Hacke und einer Schaufel. Er schob Petroleumlampen vor sich her, später eine Taschenlampe. Der ständige Wechsel von Dunkelheit im Stollen und Sonne hier draußen fraß sein Augenlicht weg.« Pebas hob einen Sack mit Konserven von seinem Muli. »Wir alle krepieren einmal an diesen grünen Steinen. Pepe hatte einmal seinen großen Fund gemacht! Vor sechs Jahren. Ein Rohsmaragdblock, der – ausgeschlachtet – vielleicht 15.000 Dollar eingebracht hätte. Man stelle sich das vor: 15.000 Dollar! Bar auf die Hand! Pepe zog mit seinem Glücksfund los, kam sogar glücklich bis nach Bogotá und zur Emerald-Street. Zwei Tage später fand man ihn im Spital wieder, mit einem Loch im Kopf und einem im Rücken. Er hat's überlebt, ist zurückgekehrt zu seinem Stollen und gräbt seitdem weiter. Gefunden hat er so viel, daß er nicht zu verhungern braucht. Aber er hat seinen Berg nie mehr verlassen. Was er braucht, bringen wir ihm mit. Er wird oben in seinem Stollen sterben.«
Dr. Mohr bekam als Gast den besten Platz im Haus: eine Ecke in der Höhle, die mit Hundefellen ausgelegt war. Maria Dolores kochte eine Suppe aus Dosenfleisch und Maiskörnern; Margarita sammelte die Eier ein, die Pebas Hühner gelegt hatten.
Am Abend bekamen sie Besuch. Ein riesenhafter Mann, schwarzhaarig, mit einem scharfkantigen Gesicht, das seine indianischen Vorfahren verriet, tauchte aus der Dunkelheit auf. Niemand hatte ihn kommen gehört. Das Prasseln des offenen Feuers vor der Veranda verschluckte alle anderen Laute. Der Mann blieb im Schein des Feuers stehen und starrte Dr. Mohr stumm an. Dann sagte er zu Pebas:
»Ist das der Doctor?«
»Er ist es.« Pebas rauchte eine selbstgedrehte dicke Zigarre. Seinem Gast zu Ehren hatte er sogar eine Korbflasche mit Wein geholt, aber um nicht zu üppig zu sein, streckte er den Wein mit Wasser. Maria Dolores und Margarita arbeiteten im hinteren Teil der Höhle, der ›Küche‹. Dr. Mohr hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit Margarita ein einziges Wort allein zu sprechen.
»Hat es sich schon herumgesprochen?« fragte Pebas.
»Das läuft wie ein Grasbrand.« Der große, dunkle Mann schob seine schwarzen Haare aus der Stirn.
»Das ist Juan Zapiga«, sagte Pebas.
»Ich kann mich allein vorstellen!« knurrte Zapiga.
»Dann tu's und glotz den Doctor nicht so dumm an.«
»Ich bin also Juan Zapiga –«, sagte er. »Ich habe eine Frau und zehn Kinder. Und alle sind krank. Die Frau hat's im Leib, drei Kinder husten nur noch, vier haben Geschwüre am ganzen Körper, der älteste Junge kann den rechten Arm kaum bewegen und schreit vor Schmerzen, wenn man ihn nur anfaßt, zwei werden immer weniger und sehen aus, als hätten sie statt Blut nur noch Milch in den Adern. Kann man da etwas tun?«
»Ich müßte deine Familie sehen und untersuchen,
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