Der Fluch der grünen Steine
sah.
Margarita hatte das Spitzentuch vom Haar genommen und ein Kopftuch mit langen Fransen umgebunden. Sie lächelte zaghaft, als Dr. Mohr bei der Familie eintraf.
»Endlich!« sagte Pebas. »Fast zwei Stunden hat es gedauert! Wir müssen uns beeilen.«
»Es war schwer, Revaila zu überzeugen.«
»Hat es Krach gegeben?« Adolfo blickte Dr. Mohr ängstlich an. »Wir sind nicht einen Peso mehr wert, wenn Revaila unser Feind ist.«
»Er hat die Notwendigkeit eingesehen.« Dr. Mohr sah sich um. »Worauf reiten Sie, Adolfo?«
»Ich nehme meine Füße! Drei Mulis kann ich mir noch nicht leisten. Ab und zu setze ich mich hinter Margarita.«
»Wie weit ist es bis zu Ihrer Hütte?«
»Fünf Stunden, wenn es gut geht.«
»Zum Teufel, warum haben Sie das nicht gesagt. Ich hätte ein Muli für Sie angeschafft!«
»Ich will nichts geschenkt haben, Señor!« Pebas tätschelte Dr. Mohrs Muli die Nüstern. »Das ist auch wichtig, Doctor: Wir nehmen nichts, was wir nicht bezahlen können. Auch meine Frau und meine Tochter nicht. Eher krepieren wir!«
»Sind sie alle so da draußen?«
»Nein!« Pebas schnalzte mit der Zunge, die Muli zockelten los. »Deshalb nennen sie mich auch den ›verrückten Dolfo‹.« Er ging neben Dr. Mohr her und hielt sich an einer Sattelschlaufe fest. »Das ist ein guter Name. Man nimmt mir nichts mehr übel.«
Fast sieben Stunden ritten sie durch Schluchten mit üppigen Riesenfarnen und verfilzten Büschen, über schmale Trampelpfade an schroffen Berghängen entlang, über schwankende Holzbrücken, die sich über reißende Gebirgsbäche spannten. Sie kletterten immer höher, kamen an Siedlungen vorbei, die mehr Vogelnestern glichen, an Wohnhöhlen und mit geflochtenen Matten bedeckten Hütten. Überall, wo hier Menschen lebten, gab es Einstiege in die Berge, aus dem Stein gehauene Röhren in die Tiefe, Stollen, mit Knüppelholz notdürftig abgestützt – Eingänge zu dem erträumten Paradies, das grün und glitzernd war.
Das Haus der Pebas lag in einem Gebiet, das vor vier Jahren die staatlichen Minen als unrentabel aufgegeben hatten. Überall war der Berg mit Stolleneingängen angebohrt, die Schutthalden waren längst überwuchert, der Urwald rückte wieder vor. Es war ein trostloses Land, ausgebeutet und deshalb nutzlos. Selbst erfahrene Guaqueros hatten hier nur zwei Jahre ausgehalten, dann waren sie weitergezogen. Zurück blieben zehn Familien, darunter der ›verrückte Dolfo‹, die fest daran glaubten, daß irgendwo in der Tiefe der Mine eine Smaragdader liegen müsse, die noch keiner gefunden hatte. Die staatlichen Geologen hatten nur mit dem Kopf geschüttelt. Was man hier mit einem ungeheuren technischen Aufwand gefunden hatte, war nicht einmal der hundertste Teil dessen wert, was die Mine jährlich gekostet hatte. Als dann bei Cosques ein neues Smaragdlager entdeckt wurde, ließ man diese Mine liegen, räumte sie und überließ es den Spinnern, die wenigen kleinen grünen Steinchen ans Licht zu buddeln, die man übersehen hatte.
Pebas' Hütte sah wie alle Behausungen hier aus: eine Höhle, vor die man als Verlängerung des Wohnraumes ein großes Dach gebaut hatte. Was noch zwei weitere Zimmer ergab. Zehn Hühner und ein Hahn empfingen die Zurückkehrenden mit wildem Gegacker, in einem Knüppelholzstall rumorten zwei Schweine. Eine Milchziege lief frei herum und senkte die Hörner, als sie die Mulis sah. Hinter dem Haus erhob sich die Steilwand des Berges. Mitten in dieser Wand gähnten die Einstiege von drei Stollen. Vom oberen Abbruch pendelte eine Strickleiter herunter.
»Stehenbleiben!« brüllte eine Stimme von oben. Über einen Stein vor dem mittleren Stollen schob sich der Lauf eines Gewehres. »Die Hände hoch, ihr Halunken! Eure Namen! Keinen Schritt weiter!«
Dr. Mohr hob beide Arme. Entsetzt sah er, wie Adolfo Pebas ruhig hinter Maria Dolores aus dem Sattel glitt und zu seinem Haus ging. Auch Margarita saß ab und folgte ihrem Vater.
»Zurück!« schrie Dr. Mohr. »Er zielt auf euch! Margarita, bleib stehen!«
Er griff nach hinten, riß Don Alfonsos ›Aktentasche‹ an sich und steckte die Hand in das Loch der Rückwand. Der kalte Griff der Maschinenpistole fühlte sich klebrig an.
Über dem Stein am Stollen erschien jetzt ein struppiger Kopf. Dann die Schulter, in die der Gewehrkolben gepreßt war.
Dr. Mohr atmete tief durch. Er richtete das Ausschußloch der ›Aktentasche‹ nach oben und krümmte den Finger bis zum Druckpunkt.
Zwei, drei Sekunden lang
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