Der Fluch der grünen Steine
nicht bauen.«
»Wir sind noch mehr.« Der Mann mit dem Vollbart stampfte wieder mit dem Vorschlaghammer auf den Boden. »Wir wollten nur sehen, wie Sie sich das denken, Doctor. Konnte ja auch eine Falle sein, nicht wahr? Hier wird mit jedem Trick gearbeitet. Warum soll nicht auch ein Médico als Lockvogel fungieren?«
Er stieß einen hellen Pfiff aus und lächelte plötzlich. Von zwei Seiten, aus den Felsenspalten, aus dem Wald in der Schlucht, quollen weitere zerlumpte, finstere Gestalten und drängten sich vor Pebas' Höhle. Dr. Mohr schätzte, daß jetzt über fünfzig Männer versammelt waren. Es stimmte, was Pebas gesagt hatte: Die ›Burg‹ war uneinnehmbar, das Nachbartal für alle Fremden gesperrt. Wer sich dennoch hineinverirrte, hatte keine Chancen mehr, herauszukommen.
»Ich danke euch«, sagte Dr. Mohr. Der Mann mit dem Vollbart winkte ab.
»Noch haben wir nicht angefangen. Sie haben Christus Revaila aufs Kreuz gelegt, Doctor?«
»Ach! Hat sich das bis hierher herumgesprochen?«
»Wären wir sonst gekommen? Ihr Krankenhaus – gut! Das ist ein tolles Ding, total verrückt! Aber einem Mann, der Revaila in die Schnauze geschlagen hat, dem müssen wir helfen! Der ist unser Kamerad! Der steht genau wie wir auf der Todesliste. Wissen Sie, daß es eine solche Liste gibt?«
»Nein.«
»Auf der steht jeder, der früher oder später unter einem Holzkreuz liegt. Es gibt Jagdkommandos, die nichts anderes zu tun haben, als Namen auf dieser Liste abzuhaken. Hier funktioniert ein fabelhaftes Spionagesystem. In Penasblancas weiß man genau, wer einen guten Fund gemacht hat. Wer dann noch Bogotá erreicht, ist ein Glückspilz. Uns aber bekommen sie nicht. Wenn wir genug gefunden haben, marschieren wir los wie eine kleine Armee. Ich möchte sehen, wer uns da aufhalten will! Das wird eine Schlacht werden …« Der Mann mit dem Vollbart stellte den riesigen Hammer ab und kam auf Dr. Mohr zu. »Haben Sie einen Plan, Doctor?«
»Nur im Kopf. Ich möchte ihn mit euch zusammen entwickeln.«
Zwei Stunden saßen sie auf der Erde, zeichneten mit einem dicken Bleistift Grundrisse auf ein großes Stück Packpapier und einigten sich darauf, daß insgesamt vier Häuser entstehen sollten: ein Ambulatorium, das Dr. Mohr vornehm Poli-Klinik nannte, ein Bettenhaus mit angrenzendem OP, ein Wohnhaus für Dr. Mohr und eventuell Personal sowie ein Magazin mit Apotheke. Dazu kam ein Wasserreservoir, höher in den Felsen gelegen, damit genügend Druck vorhanden war, und ein Maschinenhaus für einen Lichtgenerator.
»Sehr schön!« sagte der Mann mit dem Bart, als die Pläne in groben Zügen fertiggestellt waren. »Wunderschön! Nur völlig illusorisch! Wo bekommen wir außer Steinen und Holz alles andere her?«
»Aus Penasblancas oder Bogotá.«
»Glauben Sie?«
»Ich bin fest davon überzeugt.«
»Das werden wir sehen. Wofür wir sorgen können, ist der Rohbau. Wir werden in zwei Gruppen arbeiten. Die eine am Krankenhaus, die andere in der Mine. Immer im Wechsel, damit sich die anderen ausruhen können. Denn Ihr Krankenhaus, Doctor, ist eine reine Erholung gegen das Smaragdschürfen.«
Gegen zehn Uhr kam Juan Zapiga zu Pebas' Hütte. Er brachte seine kleine Tochter Neila mit. In einem Rucksack trug er sie auf dem Rücken.
»Ich weiß mir keinen Rat, Doctor«, sagte er dumpf. »Sie weint und bricht und hat starke Krämpfe. Was hat sie?«
Er hüllte Neila aus den Decken und legte sie auf die Erde. Dann schielte er zu den das Plateau säubernden Männern und der Kolonne, die bereits Bäume am Rande der Schlucht fällte.
»Von der ›Burg‹?« fragte er leise.
»Ja. Sie bauen das neue Krankenhaus …«
»Sind Sie ein Zauberer, Doctor?«
»Nein, nur ein Mensch, der zu anderen Menschen menschlich sprechen kann.«
»Das ist ja das Seltene! Schade, daß alles umsonst ist.«
»Was ist umsonst?«
»Alles, was Sie hier tun! Danken wird Ihnen das niemand. Hier weiß man nicht mehr, was Dank ist. Hier kämpft jeder gegen jeden, um einen kleinen grünen Stein zu bekommen.«
Dr. Mohr beugte sich über die kleine Neila. Ihre Pupillen waren erschreckend geweitet.
»Sie ist vergiftet!« sagte Dr. Mohr ehrlich. »Juan, fang an zu beten! Aber vielleicht ist das bereits zu spät …«
5
Perdita Pebas wäre eines der schönsten Mädchen nicht nur Kolumbiens, sondern der Welt gewesen – ohne Übertreibung –, wenn sie sich nicht das wundervolle schwarze Haar in ein ordinäres Rot gefärbt hätte; ein Rot, das wie Blut über ihren
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