Der Fluch der grünen Steine
laut genug gesprochen. Dr. Simpson zuckte neben seinem Minenwerfer hoch und kam an die Steinmauer. »Moment mal!« rief er. »Ich kenne Sie nicht! Sie waren noch nie bei mir in Behandlung! Aber gehört habe ich genug von Ihnen, Herr Rechtsanwalt! Wo bleibt Ihr juristisches Gewissen? Wer predigt denn in den Gerichtssälen immer von der Gewährung einer Chance? Ich habe jetzt eine, und Sie machen Sie mir streitig? Mein Lieber, ich ziehe vor Ihre ›Burg‹ und äschere sie ein mit meinem Werfer!«
»Ich sage es ja: ein Idiot, der sein Gehirn weggesoffen hat! Simpson, bepinkeln Sie Ihren Minenwerfer, wir haben in der ›Burg‹ drei 7,5-Geschütze!«
»Du lieber Himmel! Die Artillerieabteilung, die auf dem Weg von Muzo nach Cosques spurlos verschwunden ist …«
»Sie sagen es!«
»Alles niedergemacht?«
»Die Kanoniere sind bei uns. Ein Teil steht da!« Er zeigte mit dem Daumen nach rückwärts auf die drei Kanonen. »Sie hatten die Wahl, und sie wählten das Leben. In ein paar Jahren sind sie reich. Simpson, wir sprechen uns noch. Sie sind momentan nicht interessant genug.«
»Oho! Dieser Strohkopf!« schrie Simpson und wurde rot im Gesicht. »Ein verkrachter Advokat, der sich beim Gerichtsdiener die Rechtsauskünfte holte!«
Der Bärtige stutzte, starrte wild auf die Steinmauer vor dem Zelt und wandte sich dann ab. Er ging auf Pater Cristobal zu, der ihm entgegenkam.
»Haben Sie das gehört, Pater?« fragte der Bärtige.
»Sie haben ihn auch gereizt! Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
»Können Sie mehr als Ihre Sprüche?«
»Es kommt darauf an, was Sie erwarten!«
Der Bärtige kratzte sich am Kopf. »Von der ersten Sperre an wußte ich, daß Sie der Priester sind, der in Penasblancas eine Notkirche errichtet hat und es fertigbrachte, ›Mamá‹ und Christus Revaila zu einem Gottesdienst unter einem Dach zu versammeln. Und das ohne einen einzigen Toten! Sie werden in die Geschichte von Penasblancas eingehen. Als ich erfuhr, daß Sie in die Berge kommen, habe ich befohlen: Durchlassen.«
»Zu gütig«, sagte Pater Cristobal ruhig und lächelte dabei milde.
Der Bärtige wischte sich ungelenk über die Augen. »Ich habe einen Mann, der nicht sterben kann, ohne gebeichtet zu haben.«
»So etwas gibt es.«
»Wollen Sie mitkommen, Pater?«
»In Ihre berühmte ›Burg‹? Die noch kein Fremder betreten hat?«
»Ein Priester und ein Arzt sind keine Fremden. Sie gehören immer zu uns, sind mit uns verwachsen, auch wenn wir es noch so zu leugnen versuchen.« Er wandte sich an Dr. Mohr und kaute an der Unterlippe. »Doctor, auch Sie kommen mit. Ich mache mir seit einer Stunde Sorgen … um meine Frau.«
»Ihre Frau? Sie haben eine Frau? Ich denke, in der ›Burg‹ lebt eine reine Männergesellschaft?«
»Sie lebt in einem Camp in der Nebenschlucht. Wir sind nicht verheiratet, aber ich nenne sie meine Frau. Sie bekommt ein Kind, doch es scheint Komplikationen zu geben. Ich verstehe davon wenig, aber ich glaube, das Becken ist zu eng. Das Kind kann gar nicht heraus.«
Dr. Mohr schluckte. »Wissen Sie, was das bedeutet?« fragte er heiser. »Was das hier bedeutet?«
»Ich vertraue Ihnen, Doctor.«
»Da hilft kein Vertrauen! Mein Gott, wie soll ich denn hier einen Kaiserschnitt machen?«
»Sie haben Instrumente bei sich …«
»Aber nicht die richtigen! Keine gynäkologischen.«
»Was ist mit Gynäkologie?« rief Dr. Simpson, der das Wort aufgeschnappt hatte.
»Halten Sie das Maul, Simpson!« brüllte der Bärtige.
»Sie sollten froh sein, daß auch er jetzt hier ist. Er kommt mit.«
»Soll meine Frau durch seinen Anblick sterben?«
»Wo ist Ihr nüchterner Verstand geblieben?«
Der Bärtige nickte schwer. »Also gut. Gehen wir. Zwei Ärzte und ein Priester, Skalpell und Gottes Wort, das müßte gut gehen. Wo fangen wir an? Bei dem Sterbenden oder bei der Gebärenden?«
»Beim Leben!« sagte Dr. Mohr. »Was meinst du, Cris?«
Pater Cristobal faltete die Hände. »Ich werde nach zwei Seiten beten«, sagte er. »Da Gott ja doch alles sieht, wird er auch beide Ohren offen haben.«
»Dr. Simpson!« rief Dr. Mohr zum Zelt hinüber. »Kommen Sie von Ihrem Minenwerfer weg. Wir müssen zu einem Kaiserschnitt!«
»Du meine Güte!« Simpson tauchte hinter seinem Steinwall auf. »Meine letzte sectio caesarea habe ich vor neun Jahren gemacht!«
Er ging auf den Bärtigen zu, der ihn mißtrauisch musterte, und hob beide Hände. »Aber keine Angst, Rechtsverdreher, zur Assistenz reicht es noch!«
»Ich hole
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