Der Fluch der grünen Steine
Frauen und Kinder waren in den Häusern, lediglich ein paar Hühner und Enten liefen herum, Schweine grunzten und eine Hundemeute tobte in einem Zwinger. Es waren große, stämmige, fast weißfellige Hunde mit starken Gebissen. Sie heulten und bellten wütend, sprangen an dem Drahtgitter empor und benahmen sich so mordlustig, als witterten sie frisches Blut. Ein Junge in zerlumpten Kleidern, vielleicht sieben Jahre alt, stand neben dem Zwingertor und hatte die Hand auf das Schloß gelegt. Ein Zuruf nur, und er schob den Riegel zurück. Dann würde die Meute herausstürzen und über alles herfallen, was sich ihr in den Weg stellte. Vor diesen fletschenden Zähnen gab es keine Rettung mehr.
Pater Cristobal blieb stehen und blickte über das Camp. »Ein freundlicher Empfang«, sagte er sarkastisch.
»Vorsicht und Mißtrauen sind hier das halbe Überleben, Pater.« Der Bärtige zeigte auf die Hütten. »Dort, die vierte vom Eingang, das ist sie. Dort wohnt meine Frau. Erschrecken Sie nicht.«
»Warum?« Dr. Mohr stellte seinen schweren Metallkoffer ab. »Noch eine Überraschung?«
»Meine Frau ist ein Kind.«
»Was?«
»Nach zivilisierten Begriffen.« Der Bärtige zerrte wütend an seinem offenen Hemd. »Jetzt glotzen Sie mich nicht wie einen Lustmörder an, Doctor! Meine Frau ist 15 Jahre alt. Sie kommt aus dem Stamm der Chibcha-Indianer. Da gelten andere Gesetze. Dort ist ein Mädchen mit 12 Jahren schon heiratsfähig! Fragen Sie mich jetzt nur noch, warum ich so eine Junge genommen habe! Was hier an Weibern herumwieselt, ist entweder schon verheiratet oder Großmutter. Die anderen sind verdammte Huren, die in den Bergen herumziehen und mit gespreizten Beinen Smaragde sammeln. Ein gutes Geschäft, sage ich Ihnen! Diese fliegenden Puffs werden, wo sie auch hinkommen, gefeiert, als brächten sie die kostbarsten Geschenke mit! Ich weiß, das tut weh, Pater, aber es ist die Wahrheit. Sollte ich mir so eine nehmen? So ein Pflanzbecken? Da lernte ich Chica kennen. Ihre Familie war auf der Flucht. Ihren Vater hatten sie gerade erschlagen, weil er nicht wußte, wo es Smaragdadern gibt. Denn seit der Zeit der Konquistadoren gelten die Chibcha-Indianer als die besten Kenner der Smaragdvorkommen. Damals wurden Tausende zu Tode gefoltert, übrigens, Pater, das ist interessant, mit Billigung der Kirche und zum Wohle Spaniens. So kamen die Eroberer in die Kenntnis der Minen. Und das spukt auch heute noch in den Gehirnen herum: Wenn man einen Chibcha erwischt, heißt es immer: Wo liegen die Adern? Die grünen Adern? Mistkerl, du weißt es ganz genau! Oft endet es wie bei Chicas Vater … man erschlägt ihn, obwohl er wirklich nichts weiß. Also, Chicas Mutter und eine noch jüngere Schwester waren auf der Flucht. Sie lebten, als ich sie bei einer Jagd aufstöberte, wie Tiere in Erdhöhlen. Sie schrien nicht, sondern neigten ihre Köpfe vor, stumm und ergeben: Komm, weißer Mann, schlag uns endlich tot! Ich habe sie in dieses Camp mitgenommen und ihnen die Hütte gebaut. Als sie fertig war, kroch Chica in der Nacht zu mir. Sie wollte mir danken. Und das einzige, was sie mir als Dank geben konnte, war ihr herrlicher Körper. Hätten Sie nein gesagt? Wenn Sie das jetzt bejahen, sind Sie ein erbärmlicher Heuchler! Und noch eins: Ich bin glücklich!«
»Gehen wir!« sagte Dr. Mohr stockend. »Sonst lassen die da drüben wirklich noch die Hunde los, weil sie nicht wissen, wer da zwischen den Bäumen steht …«
»Das haben wir gleich!« Der Bärtige legte die Hände vor den Mund und stieß einen röhrenden Schrei aus. Einer der Greise am Eingang des Camps antwortete ihm und winkte mit dem Arm. Alles klar! Der Junge ließ den Zwingerriegel los und rannte zur nächsten Hütte, wo er hinter einem Holzstapel verschwand. Die Hunde gebärdeten sich noch wie toll, aber einige Türen öffneten sich, Frauen und Kinder liefen ins Freie und nahmen ihre Arbeiten dort wieder auf, wo sie unterbrochen wurden. Die meisten verschwanden in den Ställen, die an die Hütten angebaut worden waren, um die Schweine zu versorgen.
Im Camp wurden sie von den vier Greisen begrüßt. Man gab sich die Hand, musterte sich und blieb kritisch.
»Wie geht es Chica?« fragte der Bärtige hastig.
»Unverändert.« Einer der Greise hob die Schultern. »Die Wehen werden schwächer, aber das hat nichts zu sagen, meint meine Alte. Plötzlich können sie wiederkommen, und dann zerreißt es sie.«
»Sehen wir uns das sofort an!« Dr. Mohr ging auf die Hütte zu, in
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