Der Fluch der grünen Steine
Ich will als Arzt zu den Minen, nicht als Guaquero! Und als Arzt stelle ich Bedingungen, bevor ich losziehe.«
»Ich höre«, sagte die Stimme von Don Alfonso. »Ich habe sonst grundsätzlich etwas gegen Fremde, die ihre Nasen in unser Geschäft stecken. Wir haben Unruhe genug in den Minen, und jeder Fremde stellt zunächst einen Feind dar! Sie wollen Forderungen stellen – ich auch! Ich will – und für diese Aufgabe scheinen Sie mir der richtige Mann zu sein –, daß vor allem in Penasblancas in die Schürfkolonnen ein anderer Zug kommt. Den Guaqueros fehlt der ›Kopf‹. Sie verstehen, was ich meine. Diese Menschen dort sind wie Wilde, aber wenn man sie richtig organisiert, können sie viel mehr leisten! Von uns aus ist das unmöglich durchzuführen. Sieben sogenannte Inspektoren, die ich nach Muzo schickte, sind einfach abgeknallt worden. Aber Sie, als Arzt, werden bald eine Macht über diese Menschen haben, daß Sie auch Reformen durchsetzen können.«
»Mit anderen Worten: Ich soll Arzt und Ihr Statthalter in Penasblancas sein. Voll und ganz Ihre Kreatur, abhängig von Ihrer Lust und Laune.«
»Don Pedro, da ist ein falscher Ton in Ihrer Stimme. Ihre Forderung?«
»Alle Freiheiten, um meinen Beruf als Arzt auszuführen. Alle Medikamente, die ich brauche.«
»Liefert Ihnen Ihr Freund Don Ewaldo …«
»Eine Not-OP-Einrichtung. Bau eines Hospitals, um auch stationär behandeln zu können. Jeglicher Schutz, der möglich ist.«
»Der neue Albert Schweitzer der Kordilleren! Don Pedro, sonst noch etwas?«
»Nein! Das genügt, um meine Pflicht zu tun.«
»Ihre Pflicht.« Don Alfonsos Stimme wurde ernster. »Seien Sie nicht so hochmütig und so randvoll mit deutschem Reformiergeist! Koppeln Sie Ihre Aufgabe mit meinem Vorschlag: Bilden Sie eine Elitetruppe von Guaqueros heran, die einmal die Minen fest in den Händen halten wird. Und verziehen Sie nicht den Mund, wenn Sie Smaragd sagen. Das ändert sich, wenn Sie zum erstenmal hunderttausend Mark in kleinen, grünen Steinen in der Hand halten. Ich weiß, wir werden uns verstehen. Kaufen Sie an Ausrüstung alles, was Sie brauchen. Rechnung an mich. In Penasblancas halten Sie Kontakt mit mir über meinen Minenleiter Christus Revaila. Don Pedro, wir sollten echte Partner sein. Leisten Sie sich ein krummes Ding, bekommen Sie nicht einmal ein Holzkreuz auf Ihrem Hügel.«
»Ich bin nur Arzt, Don Alfonso!«
»Nur Arzt!« Camargo lachte sonor. »Wieviel Betten hatten Sie in Hamburg?«
»In der I. Chirurgischen: 340 Betten.«
»Der 3 bleiben Sie treu. Auf Sie warten in den Bergen 30.000 Gesetzlose! Sie werden für diese 30.000 der einzige Arzt sein!«
Dr. Mohr nickte. Aber über seinen Rücken lief ein kalter Schauer. Es gibt eine Grenze, wo auch das größte Abenteuer schierer Wahnsinn wird.
Er stand an dieser Grenze.
2
In seinem weißen Kolonialstilhaus wartete Ewald Fachtmann ungeduldig auf Dr. Mohr. Die Verabredung in dem Café an der Rambla hatte Peter nicht eingehalten. Fachtmann hatte über eine Stunde gewartet, war dann unruhig mit seinem Wagen die Emerald-Street auf und ab gefahren, hatte sogar unauffällig vor dem Bürogebäude von Don Alfonso geparkt und den Eingang beobachtet … doch Dr. Mohr kam nicht heraus.
Fachtmann wurde unruhig, fuhr nach Hause und trank erst einmal zwei riesengroße Whiskys. Zwei Möglichkeiten gab es: Entweder hatte sich Peter dusselig benommen und war von den Leibwächtern Camargos kaltlächelnd kassiert worden; in diesem Falle sah man ihn nie wieder, und es hatte auch keinen Sinn, die Polizei oder die deutsche Botschaft zu alarmieren. Alfonso Camargo hatte einen so gußeisernen Namen bei allen Regierungs- und Polizeistellen, bei Ministern und Generälen, daß jeder ausgelacht worden wäre, der Don Alfonso hätte anklagen wollen. Wer dann noch beharrte und weiter behauptete, Don Alfonso sei der größte Gauner von Kolumbien und einer der gefährlichsten Gangster überhaupt, mit einer bestens ausgebildeten Killertruppe, der konnte entweder mit seiner Ausweisung oder so feinfühlig servierten Gemeinheiten und Schwierigkeiten der Behörden rechnen, daß er von selbst verstört das Land verließ.
Als zweite Möglichkeit für Peters Unpünktlichkeit erwog Fachtmann, daß dieser tatsächlich mit Camargo in ein solch intensives Gespräch gekommen war, daß Don Alfonsos wertvolle Zeit plötzlich keine Rolle mehr spielte. Das jedoch schien außerordentlich unglaubwürdig. Wer Camargo kannte, wußte von seiner Eigenheit,
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