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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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oder Medicus zu rufen.
    »Das war sehr klug von Euch, Weib«, stellte der Fremde fest. »In dieser Lage mag ein Aderlass wirklich das geeignetste Mittel sein.«
    Er rollte ein Bündel aus, das er unter dem Arm getragen hatte. Die in sauberem Leinen aufgereihten Messer und seine Forderung nach warmem Wasser nahmen Marthe für ihn ein.
    Sie winkte einen Pagen heran, einen Jungen von vielleicht acht oder neun Jahren, der kostbare Kleidung trug und einen aufgeweckten Eindruck machte. »Du kannst dir jetzt große Verdienste erwerben und deine Klugheit unter Beweis stellen. Lass der Fürstin Hedwig Nachricht zukommen, dass hier ein Medicus bereitsteht, um sich des Fürsten anzunehmen.«
    Der Junge nickte und verschwand. Er hatte Glück: Das Markgrafenpaar war bereits beim Aufbruch, und so konnte er der Fürstin die Botschaft zuflüstern, während sich Otto an der Tür sein Schwert zurückgeben ließ, das er wie alle vor dem Betreten der königlichen Runde abzugeben hatte.
     
    Hedwig beschloss sofort, Otto nichts davon zu sagen, dass in seiner Kammer bereits ein Arzt auf ihn wartete. Ihr schien es besser, ihn ohne Vorwarnung schnellstmöglich dorthin zu bringen. Dass Marthe es für nötig hielt, einen Medicus zu rufen, beunruhigte sie sehr, denn sie hatte großes Vertrauen in die Heilkünste von Lukas’ Frau.
    Ottos Atem ging flach und stoßweise, als er die Unterkunft betrat. Doch sofort erfasste er die Anwesenheit des Fremden und dessen Tätigkeit anhand der ausgebreiteten Gerätschaften.
    Bevor er etwas einwenden konnte, hob der Fremde beschwichtigend die Hand und sagte ebenso ruhig wie überzeugend: »Hoheit, die kluge Frau Eures Ritters hat mich hergebeten, damit ich Euch helfe. Ich habe an der Medizinischen Schule von Salerno studiert und auch die Heilkunst der Ärzte aus dem Morgenland erlernt.«
    »Eure Dienste werden nicht benötigt!«, fuhr Otto ihn an. »Sonst zerreißt sich morgen der ganze Hofstaat das Maul darüber, dass mich dieser Tag so aufgeregt hat, dass ich einen Medicus brauche.«
    »Selbstverständlich bleibt mein Besuch bei Euch geheim, Durchlaucht«, antwortete der Arzt. »Erlaubt Ihr, dass ich Euern Pulsschlag fühle?«
    »Und wenn nicht?«, knurrte Otto.
    Der Medicus gestattete sich ein nachsichtiges Lächeln. »Ich sehe bereits so, was ich sehen muss und was auch die heilkundige Frau Eures Ritters gesehen hat. Vielleicht rettet es Euch das Leben, dass sie mich rief. Ich werde Euch jetzt zur Ader lassen und überlasse Euch dann wieder ihrem Können. Nach dem Schnitt hätte ich Euch auch nichts anderes empfohlen als die Tinktur, die sie bereits zubereitet hat. Ruht, soviel es geht, esst nur wenig und trinkt keinen Wein.«
     
    Allen Befürchtungen entgegen überstand Otto die Nacht gut. Dank Marthes Trank schlief er ruhig ein, und am nächsten Morgen waren die gefährliche Röte aus seinem Gesicht und das Rauschen in seinen Ohren verschwunden.
    Reges Treiben herrschte an diesem Morgen auf der Merseburger Kaiserpfalz und in den Gästequartieren in der Stadt, an der Saalebrücke und rund um die Neumarktkirche. Die meisten Teilnehmer des Hoftages trafen schon Vorbereitungen für ihre Abreise. Der kurz anberaumte Heerzug gegen den Löwen erforderte schnelles Handeln.
    So fiel nicht auf, dass der alte Markgraf von Meißen auf ärztlichen Rat noch den halben Tag im Bett blieb, während seine Gefolgsleute sich um die Heimreise der markgräflichen Gesandtschaft kümmerten. Otto sollte den Weg auf Anraten des Medicus besser nicht zu Pferd zurücklegen, sondern auf einem gut gepolsterten Wagen.
    Das allerdings hatte der siebzigjährige Fürst rundweg abgelehnt. Solch eine Blöße würde er sich nicht geben. Besagte nicht außerdem die althergebrachte Regel, dass sein Lehen nicht länger regieren durfte, wer nicht mehr aus eigener Kraft von einem Stein aus in den Sattel kam?
    Hedwig und Marthe hatten sich wortlos mit einem Blick darauf verständigt, vorerst nichts zu erwidern, was ihn erneut aufregen konnte. Sollte der Fürst so aufbrechen, wie es sein Gefühl für Würde verlangte. Fünf Meilen hinter Merseburg würde man weitersehen.
     
    Nach dem Frühmahl ging Hedwig mit einigen ihrer Hofdamen zum Dom St. Johannes der Täufer und Laurentius, um eine große Kerze als Dank dafür zu stiften, dass der vorangegangene Tag glimpflich verlaufen war und ihr Gemahl sich offenkundig erholte.
    Während Marthe den Markgrafen umsorgte, kümmerte sich Lukas darum, dass die Pferde für den Aufbruch vorbereitet wurden.

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