Der Fluch der Hebamme
damit die Mönche für sie beteten. Das würde sie retten.
Lukas drückte dem Schwager sein Beileid aus und nahm Marthe mit sich.
Schließlich stand nur noch Gerald vor der Kammer, in der seine Frau vielleicht gerade ihre letzten Atemzüge tat. Und er konnte nicht zu ihr, solange der Pater nicht die Sterbesakramente gewährt hatte.
Sophia trat neben ihn; er erkannte es an dem Rascheln ihres Seidenkleides und dem schleifenden Geräusch, das ihr langer pelzverbrämter Umhang verursachte. »Ihr solltet nicht zu sehr um dieses Kind trauern«, sagte sie schmallippig und beobachtete ihn dabei genau. »Es war nicht Eures.«
Erst als auch die Fürstin gegangen war, holte Gerald mit aller Kraft aus und hieb mit der Faust gegen die Wand. Dabei schrie er vor Wut und Schmerz.
Er hatte es die ganze Zeit geahnt. Und das Schlimmste daran: Er war nicht der Einzige, der wusste, dass seine Frau in Wirklichkeit
eine Hure gewesen war.
Heimkehr
A uch hinter der Stadtgrenze Merseburgs lehnte es Otto ab, aus dem Sattel zu steigen und sich auf einem Karren nach Meißen bringen zu lassen.
»Ich bin ein Reichsfürst und kein Gaukler oder altes Weib!«, entschied er die Angelegenheit in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
Also hatte sich Hedwig mit Hartmut, der die Geleitmannschaft anführte, und dem Küchenmeister verbündet und dafür gesorgt, dass die Strecke in kleine Tagesabschnitte eingeteilt und häufig Rast eingelegt wurde – zumeist angeblich, weil die Markgräfin eine Erfrischung benötige oder hungrig sei.
Marthe ließ kaum ein Auge von Otto und tat, was sie konnte, um seinen Zustand zu verbessern. Ohne Zweifel hatten ihn die Geschehnisse der letzten Monate angegriffen. Aber er schien nicht bereit, das zuzugeben. Da es allerdings schon spät im Oktober und das Wetter entsprechend kalt und regnerisch war, hatte Otto kaum etwas dagegen einzuwenden, alle paar Meilen bei einem Verbündeten einen Halt einzulegen und dort die Vorzüge eines warmen Bades und eines bequemen Bettes zu genießen.
So war es schon Anfang November, als sich die Reisenden endlich wieder Meißen näherten. Unterwegs hatten sie erste Neuigkeiten vom bisher wenig ermutigenden Verlauf der Heerfahrt gegen Heinrich den Löwen gehört. Dem Heer des Königs war es nicht gelungen, das wehrhafte Braunschweig einzunehmen, das ebenso wie Lüneburg immer noch zum welfischen Besitz gehörte. Dafür hatte der Löwe nach nur drei Tagen Belagerung die wichtige Handelsstadt Bardowick gestürmt und dem Erdboden gleichgemacht.
»Das wird die Lübecker sehr gefreut haben«, stellte Lukas sarkastisch fest, der zusammen mit Otto und einer Gruppe engerer Vertrauter zu einem Mahl bei ihrem Gastgeber eingeladen war. Künftig würde wohl die vom Löwen gegründete Stadt Lübeck der wichtigste Umschlagplatz für den Ostseehandel werden. Und die Lübecker würden dankbar und froh darüber dem Welfen erneut die Treue schwören.
»Gott fand wohl, es sei an der Zeit, dass der junge König in die Schranken gewiesen wird. Soll er sich die Zähne ausbeißen an dem Löwen!«, meinte Otto grimmig, obwohl er einst selbst gegen den Welfen zu Felde gezogen war. »Wir Alten haben den Biss eben doch noch nicht verloren – auch wenn dieser Jungsporn von einem König das glaubt.«
»Sicher«, stimmte ihr Gastgeber taktvoll zu und gab seinem Schenken das Zeichen, die Becher nachzufüllen. »Doch man erzählt, es seien vor allem seine Söhne, die die Bardowicker das Fürchten gelehrt haben.«
»Nun, dann soll sich eben
mein
Sohn an den jungen Welfen die Zähne ausbeißen. Das wird ihn Demut lehren …«
Womöglich fällt Albrecht ja in diesem Krieg, überlegte Marthe, während sie sich müde zurücklehnte. Aber leider dauert es meistens sehr lange, bis den schlimmsten Schurken das Handwerk gelegt wird und sie die Strafe für ihre Missetaten hinnehmen müssen. Ich hoffe, es stimmt, was Pater Hilbert sagt: dass Gott uns nur so viele Prüfungen auferlegt, wie wir auch ertragen können. Genügt denn immer noch nicht, was wir schon erdulden mussten?
Trotz aller Mühe hatten sie keine neue Nachricht von der Pilgerfahrt des Kaisers in Erfahrung bringen können. Nur Lukas waren einige beunruhigende Gerüchte zu Ohren gekommen, die er Marthe lieber verschwieg. Niemand wusste, ob etwas daran war, aber wirklich überraschend käme es nicht: von feigen Angriffen auf das kaiserliche Heer war die Rede, von Überfällen aus dem Hinterhalt, seit die Truppen byzantinischen Boden
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