Der Fluch der Hebamme
Landgraf Ludwig von Thüringen war so krank, dass er nicht länger bleiben konnte, und er hatte beschlossen, den Rest seiner Truppen wieder mit nach Hause zu nehmen – die wenigen, die von seinen Männern nach einem Jahr vergeblicher Belagerung noch am Leben waren und von denen ebenfalls viele krank oder schlichtweg am Verhungern waren.
Er hatte nur noch gewartet, bis der Herzog von Schwaben das Heerlager erreichte, um ihm die Ehre zu erweisen, bevor er abzog. Das Kommando über das fränkische Heer hatte er bereits an Heinrich von Champagne übergeben.
Da Dietrich von Weißenfels nach dem Kahlschlag, den die Seuche in Antiochia auch unter den Adligen im Heer angerichtet hatte, nun einer der wenigen verbliebenen Fürsten war, forderte Friedrich von Schwaben ihn auf, ihn zum Zelt des Thüringer Landgrafen zu begleiten. Wie selbstverständlich schlossen sich Thomas und Roland dem Grafen als Leibwache an.
Ein halbes Dutzend thüringische Ritter war vor dem Zelt des Landgrafen versammelt, neben dem dessen Banner – der rot-weiß gestreifte thüringische Löwe auf blauem Grund – aufgepflanzt war. Sie erkannten sofort, wer vor ihnen stand, und sanken vor dem Sohn des toten Kaisers auf die Knie.
»Ist Euer Fürst derzeit bei Kräften, um Besuch zu empfangen?«, erkundigte sich der Herzog von Schwaben. Seine Erkrankung lag erst ein paar Wochen zurück, und so wusste er aus eigener Erfahrung, dass es beim Sumpffieber Schübe von Schüttelfrost mit hohem Fieber und Erbrechen gab, auf die dann ein, zwei Tage ohne Fieber, aber großer Mattigkeit folgten, bis Schüttelfrost und brennende Hitze zurückkehrten.
»Geht zu ihm, Durchlaucht! Ich befürchte, ihn hält nur noch die Hoffnung am Leben, Euch sprechen zu können«, sagte der älteste der Ritter, der selbst alles andere als gesund wirkte.
Der Herzog und Graf Dietrich betraten das Zelt.
Thomas und Roland stellten sich den thüringischen Rittern vor. Sie würden hier warten, bis das Gespräch unter den Fürsten vorbei war, und hofften, von den Thüringern Einzelheiten über die Lage und das bisherige Geschehen erfahren zu können.
Während die Knappen und Reisigen schon Vorkehrungen trafen, das Lager abzubrechen, erörterten die Ritter gerade – sicher nicht zum ersten Male –, was sie wohl tun würden, wenn sie erst wieder zu Hause wären. Doch als der Jüngste von ihnen begann, sich auszumalen, wie er seine Frau den ganzen Tag nicht mehr aus dem Bett lassen würde, unterbrachen ihn die anderen sofort.
»Willkommen im Schlamm vor Akkon«, begrüßte einer der Ritter die beiden jungen Meißner zynisch, ein Mann vielleicht um die dreißig mit einer mehrfach gebrochenen Nase, und als er sprach, konnte Thomas sehen, dass sein Zahnfleisch blutete und er mehrere Zähne verloren hatte.
»Ihr trefft genau zur richtigen Jahreszeit ein. Die Regenfälle beginnen, die Flüsse aus den Bergen ringsum werden anschwellen, die Ebene überschwemmen und die zu hastig begrabenen Toten frei spülen. Dann kommt die nächste Seuche, was allerdings wettmacht, dass es nicht genügend Vorräte gibt, um das Heer den Winter über zu ernähren. Insofern habt Ihr die Wahl, ob Ihr am Fieber oder am Hunger verreckt – so wie unsere Leute letzten Winter und nun auch noch Fürst Ludwig, wenn sich Gott nicht seiner erbarmt und ein Wunder geschehen lässt.«
Zu Thomas’ Erstaunen wies keiner der älteren Ritter den Jüngeren für diese aussichtslose Beschreibung der Lage zurecht.
»Ihr wart unsere ganze Hoffnung«, sagte stattdessen ein anderer, der einen schwarzen, mit grauen Strähnen durchzogenen Bart trug. Er hob die Hände, als wollte er Vergangenes beschwören, und ließ sie kraftlos wieder sinken. »Bis eben noch hatte ich gehofft, die Nachricht würde nicht stimmen und Friedrich von Staufen würde an Eurer Spitze ins Lager reiten. Aber Eure Gesichter sagen mir genug. Ich mag gar nicht fragen, wann und wie es geschehen ist. Gott wird ihm einen Ehrenplatz an Seiner Seite einräumen. Aber wir hätten ihn hier so dringend gebraucht!«
Fast verzweifelt schüttelte er den Kopf. »Ein starkes Heer unter einem starken Kaiser! Friedrich von Staufen hätte diesen Versager Guido mit einem einzigen Blick in die Flucht gejagt. Im siebten Kreis der Hölle soll Lusignan schmoren für seine Einfalt und seine Machtbesessenheit, die unzählige Männer das Leben gekostet hat!« Wütend spie er aus, als stünde Guido vor ihm.
»Erst in Hattin, als er das Heer gegen den Rat erfahrener Männer
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