Der Fluch der Hebamme
sein.
Der Älteste stand auf, ließ sich vom Küchenmeister noch Brühe nachschenken und setzte sich dann wieder zu den Männern, um weiterzuerzählen.
»Seit Pfingsten wird wieder gekämpft. Acht Tage lang hintereinander hat Saladin unser Lager angreifen lassen. Beide Seiten erlitten hohe Verluste, aber niemandem gelang ein wirklicher Sieg. Wenn nicht laufend Nachschub an Kämpfern gekommen wäre, wären wir längst vernichtet. Doch nun hat die Krankheit unseren Fürsten niedergestreckt. Er war so angesehen unter den Franken, dass er lange zusammen mit Jakob von Avesnes den Oberbefehl über das Heer hatte. Zum Glück ist jetzt einer eingetroffen, der die Franken vielleicht vereinen kann, da unser Kaiser – Gott hab ihn selig – dazu nicht mehr in der Lage ist: Heinrich von Champagne. Seine Mutter war eine der Töchter Eleonores von Aquitanien aus ihrer Ehe mit dem französischen König. So ist er also mit dem englischen
und
dem französischen Königshaus verwandt. Und es heißt auch, bald käme noch der Erzbischof von Canterbury mit seinem Heer. Aber wir Thüringer ziehen ab.«
Der Alte wies auf die kleine Gruppe um sich: »Schaut euch um – wir paar Mann sind alle, die noch von stolzen dreitausend Kämpfern übrig sind. Und nicht nur unser Fürst ist auf den Tod krank. Gott geb, dass er die Heimat noch erreicht!«
Wieder bekreuzigte er sich.
»Wir können hier nichts mehr ausrichten. Das Fieber schüttelt uns, das Wasser läuft uns nur so aus den Därmen, die Zähne fallen uns aus. Es hat keinen Sinn zu bleiben. Wir tragen die Seuche nur weiter. Der Fürst bestand darauf, noch den Sohn des Kaisers begrüßen und mit ihm sprechen zu können. Aber sobald der Herzog von Schwaben dieses Zelt verlässt, brechen wir auf. Wir können es gerade noch schaffen, vor den Winterstürmen über Zypern nach Hause zu segeln.«
Wie aufs Stichwort traten Friedrich von Schwaben und Dietrich von Weißenfels aus der Unterkunft des thüringischen Landgrafen. Sofort standen die Männer auf und knieten nieder, auch Roland und Thomas.
»Gott schenke Landgraf Ludwig und Euch Seinen Segen für die glückliche Heimkehr!«, sagte Friedrich von Schwaben. »Es wird nicht vergessen werden, was Ihr hier Großes geleistet habt.«
Doch in seinem Gesicht und ebenso in Dietrichs konnte Thomas lesen, dass die beiden Fürsten keine Hoffnung hatten, Ludwig könnte noch lange genug leben, um seine Heimat zu erreichen.
Auf das Zeichen der beiden folgten sie ihnen ins staufische Lager, nachdem sie noch einmal einen bedauernden Blick auf die kleine Gruppe der Thüringer geworfen hatten, die ein Jahr vor Akkon überlebte.
Die Männer unter dem Kommando des jungen Herzogs von Schwaben hatten nicht vor, den Winter untätig wartend im Schlamm zu verbringen. Schon bald nach ihrer Ankunft führte Friedrich seine Kämpfer in einen Angriff, ebenso kurz darauf der Erzbischof von Besançon, der eine neue Art von Rammbock bauen ließ. Doch weder mit Sturmleitern noch der Ramme ließen sich die Wälle und Mauern bezwingen. Dafür gelang es ihnen, Saladins Truppen ein Stück weiter fort von der Stadt zu vertreiben und nach Haifa durchzubrechen, um Proviant für die christlichen Kämpfer zu beschaffen. Es war für den Anfang in dieser trostlosen Lage ein ermutigender Sieg, aber nur ein kleiner und von kurzer Dauer.
Saladin zog weitere Truppen heran. Sowohl in der Stadt als auch im Heerlager davor wurden Wasser und Nahrung knapp, Seuchen,
Hunger und Krankheit griffen von neuem um sich.
Unter den Todesopfern waren diesmal die beiden kleinen Töchter von Königin Sibylle, der Gemahlin Guido von Lusignans. Und wenige Tage später starb Sibylle selbst.
Sofort beherrschte ein Gesprächsstoff alles andere und machte rasch auch im staufischen Lager die Runde: Guidos Thronanspruch war endgültig erloschen, da er sich nur aus der Stellung seiner Frau her ableitete.
Balian von Ibelin, der Mann, der die Verteidigung Jerusalems geleitet und den friedlichen Abzug für seine Bewohner ausgehandelt hatte, führte die Gruppe der Barone an, die den unfähigen Guido mit aller Macht loswerden wollten. Schließlich hatte Guido auch Balians Bruder Balduin vertrieben, einen der klügsten und mächtigsten Barone in Outremer. Balian und seine Anhänger setzten alle Hoffnung auf Konrad von Montferrat und drängten, dass dieser Sibylles Schwester Isabella heiratete, die nun die Erbin des Königreiches war.
Doch dazu musste die Ehescheidung beider Hochzeitsanwärter
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