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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Handel mit dem reichen Akkon nichts wurde, sie aber das Elend der Männer mit eigenen Augen ansehen mussten, haben sie unter einem ihrer Segel ein Feldhospital eingerichtet. Geb’s Gott, dass ihr zwei nie dahin müsst. Aber sollte es euch erwischen, dann lasst euch dorthin schaffen. Es haben sich mittlerweile allerhand Leute zusammengefunden, die sich dort um die Kranken kümmern. Vor allem um unsere Landsleute. Wie ihr sicher schon gemerkt habt, leben in Outremer jede Menge Normannen, Franzosen, Italiener, aber kaum welche von uns. Wir verstehen sie ja nicht einmal, wenn sie reden – abgesehen von unserem Fürsten natürlich, der am Hof des französischen Königs aufgewachsen ist.«
    »Es ist schon eine ziemlich merkwürdige Belagerung. Niemand hatte so richtig Lust zum Kämpfen, und am Ende haben wir gemeinsam Feste gefeiert«, warf der Ritter mit der gebrochenen Nase ein.
    »Feste? Mit wem?«, fragte Roland, der sich beinahe an seiner Fleischbrühe verschluckte.
    »Mit den Sarazenen!«, rief der Alte grinsend. »Das hättet ihr wohl nicht geglaubt, was? Erst ruft man sich etwas über die Mauern zu, dann werden Gesandtschaften ausgetauscht, dann Geschenke, freundschaftliche Wettkämpfe ausgetragen, um zu beweisen, wer die besseren Reiter und Bogenschützen hat … Und schließlich haben wir gemeinsam am Feuer gesessen, jeder hat seine Lieder gesungen, auch wenn sie die anderen nicht verstanden haben, und Scherze getrieben.«
    »Und dann kämpft ihr wieder gegeneinander? Was ist das für ein Gefühl, auf jemanden mit dem Schwert einzuhauen, mit dem man am Abend zuvor noch gefeiert und gesungen hat?«, fragte Thomas, der dazu erschreckend deutliche Bilder vor Augen hatte.
    »Feiern ist eine Sache – zu kämpfen eine ganz andere«, meinte der Alte. »Ihr seid wohl noch zu jung, um zu wissen, dass man durchaus auch mal jemanden umbringen muss, der einem am Tag zuvor noch ganz annehmbar vorkam.«
    »Nein, das ist er nicht«, widersprach Roland scharf.
    Doch, das bin ich, hätte Thomas am liebsten herausgebrüllt, aber er wollte und konnte den Freund nicht bloßstellen. Denn ich habe gesehen und gehört, dass das Blut der Sarazenen rot ist wie meines und sie vor Schmerz genauso schreien und stöhnen wie wir, wenn sie getroffen werden – nur in einer anderen Sprache.
    »Wenn gekämpft wird, erkennt man einander ja kaum unter den Helmen«, versuchte einer der Thüringer zu beschwichtigen. »Da war schon mancher dabei, von dem ich dachte, um den Kerl ist es eigentlich schade … Doch sie stehen zwischen uns und Jerusalem, dem Heiligen Grab. So ist das nun einmal.«
    Der Ritter mit dem schwarzen Bart rief abermals zum Küchenmeister hinüber, ob er denn immer noch nicht bald fertig sei mit den paar Bissen, dann legte sich Schweigen über die Runde.
    Aus dem Zelt des Landgrafen klangen leise Stimmen, doch jeder hätte sich geschämt, das Gespräch zu belauschen, das nicht für seine Ohren bestimmt war.
    »Wieso gibt es hier nirgendwo Belagerungsgerät?«, fragte Thomas schließlich – bemüht, nicht allzu besserwisserisch zu erscheinen, doch die Frage beschäftigte ihn schließlich seit ihrer Ankunft.
    »Weil dieser Dummkopf von einem König in seiner unsäglichen Einfalt keines mitgebracht hat!«, rief der Krummnasige und spie erneut aus. »Er hat gedacht, er kommt hier angeritten, und die Stadt fällt ihm von allein in den Schoß. Und als er sie nach drei Tagen nicht im Sturm nehmen konnte, ließ er sich hier nieder. Erst nach dem schlimmen Winter, angesichts der Krankheiten und des Hungers, schlossen Guido und Konrad von Montferrat endlich so etwas wie Frieden miteinander – auch dank Vermittlung unseres Fürsten. Montferrat brachte von Tyros aus Schiffsladungen mit Waffen, Nahrung und Holz. Wir bauten wunderschöne Belagerungstürme – einen davon hat Landgraf Ludwig bezahlt, fünf Stockwerke hoch! – und rückten damit gegen die Stadtmauern vor.«
    »Und?«
    »Griechisches Feuer«, war die knappe Antwort. Bis sich der Schwarzbärtige doch noch zu einem ausführlicheren Bericht hinreißen ließ. »Beinahe hätte unser Fürst, der ganz oben stand, dabei sein Leben eingebüßt. Und ein paar Dutzend wirklich guter Männer haben wir verloren. Sie rannten als lodernde Flammen herum oder stürzten vom Turm.«
    Schaudernd bekreuzigte er sich, und die anderen taten es ihm gleich. Doch verkohlte Überreste von den Türmen waren nicht zu sehen – sie mussten wohl inzwischen an den Kochstellen verfeuert worden

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