Der Fluch der Hebamme
dass du sie findest, dann findet sie dich«, beendete Roland das Gespräch darüber, denn nun hatten sie das kaiserliche Heerlager erreicht.
Es war auf einer Wiese vor der Stadt errichtet, und Thomas war erschrocken darüber, wie viel kleiner es war als in Pressburg. Dabei hatten sich ihnen unterwegs noch Tausende von Männern angeschlossen: Ungarn, Serben, Nachzügler aus vielen Gebieten. Das hier konnten seiner Schätzung nach kaum mehr als ein paar tausend Mann sein. Unter denen nun auch noch eine tödliche Seuche wütete.
Im Lager der Weißenfelser wurde Thomas ein lautstarkes Willkommen bereitet.
Doch die Feierlaune hielt nur kurz an, dann erreichte sie die Schreckensnachricht vom Tod des Bischofs von Würzburg. Das war ein herber Schlag: Gottfried von Würzburg war nicht nur ein gottesfürchtiger Mann mit bemerkenswerter Überzeugungskraft, sondern auch ein erfahrener Heerführer.
Da er dem Kaiser und dem jungen Herzog von Schwaben auf dem Reichstag in Mainz die zwei roten Streifen an den Umhang geheftet hatte, machten nun erneute Zweifel an der Richtigkeit ihres Vorhabens die Runde – und die heimlich geflüsterte Frage, ob womöglich Friedrich von Schwaben ebenfalls dem Tod geweiht sei. Schließlich hatte ihn vor ein paar Wochen das Sumpffieber schon einmal niedergestreckt.
»Dann wären wir es auch«, sagte Thomas zu seinem Freund. »Der Bischof hat uns in Pressburg das Kreuz gegeben.«
»Hör nicht auf solches Gerede!«, wehrte Roland diesen Einwand ab. »Viel mehr Sorgen mache ich mir, dass wir nun einen unserer besten Anführer verloren haben. Und sieh!«
Er hielt im Gehen inne und wies erschrocken auf die Zeltgruppe gegenüber, wo gerade ein Mann auf einer Trage weggeschafft wurde. Das starke Geleit ließ keinen Zweifel daran, wer der Kranke war. Wie zur Bekräftigung konnten die beiden jungen Männer sogar einen Blick auf den von Krämpfen Geschüttelten werfen: Bischof Martin von Meißen.
Die Seuche hatte das Heer im Würgegriff, und der Tod raffte wahllos alle dahin: Knechte, Knappen und Ritter, Alte wie Junge.
Doch noch nie waren so viele angesehene und bedeutende Männer unter den Opfern dieses Kriegszuges gewesen. Nach dem Bischof von Würzburg starben auch Markgraf Hermann von Baden, Burggraf Burghard von Magdeburg, die Grafen Florenz von Holland, Poppo von Henneberg, Wilbrand von Hallermund, Hoier zum Waldenberg und der Vogt der Passauer Kirche, Friedrich vom Berg, ein gefürchteter Haudegen, der während der gesamten Marschstrecke eine Reihe tollkühner Ausfälle angeführt hatte.
Einer der Ersten, die es unter den Männern aus Weißenfels und Meißen erwischte, war Rolands Knappe Gerwin. Der Junge wälzte sich in Krämpfen, und sein Körper konnte nichts von dem in sich behalten, was sie ihm zu essen und zu trinken gaben.
Rupert saß mit betretener Miene und feuchten Augen neben dem Jungen und murmelte: »Das wird schon wieder, Kleiner, hab keine Angst …«
Doch Gerwin hatte Angst, riesige Angst sogar: vor dem nächsten Krampf, der ihm die Exkremente an den Beinen herunterlaufen ließ, und vor dem Sterben.
»Du musst ins Krankenlager«, entschied Roland.
»Nein, Herr, bitte lasst mich nicht allein verrecken …«, bat Gerwin verzweifelt, obwohl er genau wusste, dass er nicht hierbleiben konnte. Die Heiler von Antiochia, auf deren Wissen große Stücke gehalten wurden, bestanden darauf, die Kranken von den Gesunden zu trennen, damit sich nicht noch mehr Leute ansteckten. Und sie schafften es sogar, einen Teil der Kranken wieder gesunden zu lassen.
»Ich gehe mit ihm«, verkündete Rupert.
»Das kann ich nicht zulassen«, widersprach Thomas sofort. An Ruperts trotziger Miene sah er sofort, was dieser antworten würde. »Ich bin jetzt nicht mehr Euer Knappe. Ihr könnt es mir nicht verbieten.«
»Doch, das kann ich. Wir brauchen hier jeden Kämpfer«, widersprach Thomas. »Soll ich erst einen Befehl des Markgrafen einholen?«
»Lasst wenigstens den Benediktiner zu mir!«, flehte Gerwin.
Roland gab Rupert mit den Augen ein Zeichen. Wenig später kam der Jungritter mit dem kleinen Mönch zurück.
»Ich habe solche Angst, Bruder …«, flüsterte Gerwin und krümmte sich vor Schmerz zusammen.
»Ich gehe mit dir. Gott wird uns schützen«, antwortete Notker ruhig.
Ihm kann ich nicht befehlen, zu bleiben, dachte Thomas beklommen. Die Krankenpflege ist eine der Aufgaben seines Ordens. Aber wenn ihm auch etwas zustößt, dann weiß ich nicht, was ich von Gott noch
Weitere Kostenlose Bücher