Der Fluch der Hebamme
erhoffen soll.
Er sah den flehenden Blick Gerwins, als dieser fortgetragen wurde, und Rupert wütend auf etwas einhauen.
Noch am gleichen Abend kam die Nachricht, dass Gerwin gestorben war. Bruder Notker würde im Krankenlager bleiben, die Verwundeten pflegen.
Am nächsten Morgen überbrachte ein Bediensteter Martins die Botschaft, der Bischof wünsche angesichts seines nahenden Todes den Sohn des Meißner Markgrafen zu sehen.
Thomas, der zusammen mit Roland nun zu Dietrichs Leibwache gehörte, hätte am liebsten aufgeschrien, um zu verhindern, dass sich Ottos Sohn in die Nähe des Schwerkranken begab. Doch es gab keinen Weg, einem Sterbenden – noch dazu einem Bischof – diese Bitte abzuschlagen. Und von Kranken umgeben war Graf Dietrich auch hier im Lager.
Nach seiner Rückkehr rief Dietrich seine Männer und die Meißner zusammen. »Der Bischof ist tot. Lasst uns ein Gebet für seine unsterbliche Seele sprechen.«
Die Männer senkten die Köpfe und beteten gemeinsam mit ihm.
»Vor seinem Tod trug er mir auf, euch seinen Wunsch und Befehl auszurichten: Führt diesen göttlichen Auftrag weiter. Erobert Akkon und Jerusalem!«
Zwei Tage später trat ein, was Thomas befürchtet hatte: Auch Dietrich von Weißenfels erkrankte.
Thomas bot an, den Heiler zu holen, aber Ottos Sohn entschied, dass Roland gehen solle.
»Ich will unter vier Augen mit Euch sprechen«, verkündete Dietrich zu Thomas’ Erstaunen. Sofort verließen die Männer und Knappen das Zelt, die bis eben noch dem Grafen Gesellschaft geleistet und versucht hatten, ihm Linderung zu verschaffen.
Besorgt musterte Marthes Sohn den Kranken, soweit es ging, ohne die Regeln des Anstands zu verletzen.
Dietrich saß leicht zusammengekrümmt, den Umhang eng um sich gerafft, obwohl es ein sengend heißer Sommertag war. Seine Züge waren eingefallen und dadurch noch schärfer geschnitten, das dunkle Haar fiel ihm schweißnass ins Gesicht, und das Sprechen fiel ihm schwer, weil ihn immer wieder neue Anfälle von Schüttelfrost überkamen.
»Ich habe nicht vor, mich jetzt schon von der Welt zu verabschieden«, sagte er mit heiserer Stimme. »Aber dieses Gespräch will ich führen, solange ich es noch einigermaßen in Würde kann.«
Jeder von ihnen beiden wusste, was er damit meinte. Wenn sich die Krankheit richtig festgebissen hatte, verloren die Betroffenen jegliche Kontrolle über ihr Gedärm und konnten nicht aufhören, sich unter schmerzhaften Krämpfen zu entleeren.
Wortlos stand Thomas auf und schenkte Dietrich Wasser in den Becher – ganz frisch, von einer Quelle, er hatte es gerade erst geholt.
Der Kranke trank einen Schluck, aber er hatte Mühe, den Becher in der Hand zu halten, die vor Fieber zitterte.
»Du weißt, dass ich deiner Familie sehr nahestehe, aus vielerlei Gründen. Solltest du lebend wieder nach Hause kommen – wofür Gott sorgen möge – und ich nicht, dann richte bitte deiner Mutter und deinem Stiefvater meine Grüße und Segenswünsche aus. Sage ihnen, ich habe versucht, dich zu behüten, so gut es mir möglich war – und soweit du es mir möglich gemacht hast.«
Ein mattes Lächeln huschte über seine fahlen Züge, dann wurde er ernst, und seine Stimme bekam etwas Sehnsüchtiges, beinahe Flehendes. »Und deiner Schwester sage bitte« – hier stockte er und schien nach Worten zu suchen –, »dass ich an sie denke und auf sie warten werde.«
Thomas hatte Mühe, sich nichts von seiner Verblüffung anmerken zu lassen. Deshalb sagte er nur: »Das werde ich, mein Fürst!«
»Gut«, sagte Dietrich und zog den Umhang noch enger um sich. »Ich bin ebenso in Sorge um sie und deine Eltern wie du. Aber angesichts der Lage … mein Bruder als Markgraf von Meißen … war Lukas’ Entscheidung wohl richtig, sie mit Reinhard zu vermählen. Das ist ein Schutz … den ich ihr nicht bieten kann. Wenn wir das hier durchstehen und gemeinsam nach Hause kehren … wenn die Dinge in Freiberg und Meißen so stehen, dass du und deine Familie nicht dort bleiben könnt … In Weißenfels werdet ihr alle stets hochgeachtete Gäste sein … Jedenfalls, solange ich lebe … Und falls du allein heimkehren solltest und deine Familie in alle Winde zerstreut ist – dann suche zuerst in Weißenfels nach deiner Schwester! Ich habe ihr dort Zuflucht geboten.«
Entgegen allen Befürchtungen erholte sich Dietrich von Weißenfels wieder, wie auch einige der anderen Kranken. Doch das Sterben schien kein Ende nehmen zu wollen.
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