Der Fluch der Hebamme
etwas einfallen ließ, um sie rauszuhauen.
Thomas beschloss, zuerst die beiden Schlafenden aufzuwecken. Notfalls musste er sie dazu bringen, den Mageninhalt wieder herauszuwürgen, so wie Johannes, was wohl ihrer aller Rettung war. Jedenfalls vorerst.
Es dauerte einige Zeit, bis alle wach waren und begriffen, was Christians Sohn ihnen zu ihrer derzeitigen Lage erklärte.
»Und nun?«, fragte Johannes verzweifelt.
Thomas versuchte, so zuversichtlich wie möglich zu wirken. Dabei dankte er Gott in einem stummen Gebet, dass sein Bruder Daniel nicht mit zu dieser Reise befohlen worden war.
»Sie werden uns hier bestimmt nicht auf alle Zeit vermodern lassen, sonst hätten sie uns gleich umgebracht«, meinte er, wobei ihm nachträglich Zweifel kamen, ob diese Worte geeignet waren, die anderen zu beruhigen. »Wir bleiben still und warten. Sollen sie denken, wir schlafen. Nehmt eure Dolche und haltet euch bereit. Vielleicht konnten die Wachen den Angriff abwehren und holen uns am Morgen hier raus. Ansonsten überraschen wir die Gegner und stürmen los, wenn sie die Tür öffnen.«
Er ließ seine Blicke über die drei Jungen schweifen, spürte deren Furcht und fügte streng hinzu: »Aber erst auf mein Zeichen! Sollten es zu viele sein, hören wir uns zunächst einmal an, was sie vorzuschlagen haben.«
Thomas setzte sich an die Tür und lehnte den Kopf dagegen, damit er so zeitig wie möglich hören konnte, wann und wie viele Männer den Gang entlangliefen und was sie sagten. Vielleicht waren es ja auch Verbündete, die er um Hilfe rufen konnte.
Durch die Fensterluke sah er, wie der Nachthimmel allmählich verblasste und die Dämmerung einsetzte.
Morgenrot – Gemetzel droht, dachte er düster in Abwandlung der alten Redensart, als die Sonne blutrot durch die Wolken brach und den Himmel in Flammen zu versetzen schien.
Plötzlich hörte er Schritte und sprang auf, den Dolch in der Hand. Die drei jüngeren Knappen wies er mit einer nachdrücklichen Bewegung hinter sich. Doch die Schritte entfernten sich wieder.
Thomas sah kurz zu seinen Gefährten und bedeutete ihnen, sich still zu verhalten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand zu ihnen kam. Hätte dieser Tag einen ganz normalen Lauf, würde Hartmut oder sonst einer der Ritter schon längst nach ihnen gebrüllt haben. Irgendetwas Entscheidendes musste da draußen geschehen sein. Und wer das in die Wege geleitet hatte, sollte besser glauben, dass sie noch schliefen.
Erneut bezog Thomas seinen Lauschposten an der Tür, diesmal stehend. Bald näherten sich abermals Schritte. Er hörte die Stiefeltritte und das Klirren von Eisen. Das sind zu viele, entschied Thomas, mindestens fünf Mann in Waffen. Die können wir nicht überrennen.
Zurück!, bedeutete er den drei Jungen und schob sie an die hintere Wand. Johannes’ Gesicht hatte die letzte Farbe verloren, die beiden anderen wirkten kaum weniger verängstigt.
Wieder trat Thomas vor die Jüngeren und zog seinen Dolch. Er stand jetzt drei Schritte von der Tür entfernt. Den Weg dorthin hatten sie freigeräumt von Gepäck, Stroh und was sonst noch in der Kammer lag, damit sie schnell hinausstürmen konnten, falls sich die Gelegenheit dazu bot.
Er hielt den Atem an, als die Schritte näher kamen und verharrten, statt sich wieder zu entfernen.
Dann wurde die Tür aufgerissen.
Elmar stand da in voller Rüstung und staunte für einen Augenblick, als er die Knappen nicht schlafend vorfand, sondern kampfbereit. Dann lächelte er abfällig und trat ein, dicht gefolgt von zwei fremden Rittern, dem alten Waffenmeister Hartmut und Reinhard, der sich vor zwei Tagen Ottos Reisegesellschaft angeschlossen hatte. Hinter ihnen sah Thomas den roten Haarschopf Rutgers hervorleuchten.
»Gut geruht?«, fragte Elmar kalt.
»Steck den Dolch weg, Junge!«, befahl Hartmut laut von hinten.
Als Thomas nicht sofort gehorchte, kamen die beiden unbekannten Ritter auf ihn zu. Einer hieb ihm die Faust mit voller Wucht
in den Magen, so dass er zusammensackte, der andere trat ihm die Klinge aus der Hand.
Zufrieden sah Elmar, wie Thomas, der gar keinen Versuch unternommen hatte, die Waffe einzusetzen, um die anderen nicht noch mehr in Schwierigkeiten zu bringen, sich mühsam wieder hochstemmte.
»Nachdem die Verhältnisse nun geklärt sind«, meinte der Anführer der Leibwache mit abfälligem Blick auf Christians Sohn, »Folgendes zur Kenntnis: Albrecht ist der neue Markgraf von Meißen. Ihr untersteht ab sofort seinen Befehlen. Wer
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