Der Fluch der Hebamme
von euch seine Schwertleite erleben will, tut gut daran, dies nicht in Frage zu stellen.«
Was ist mit dem alten Markgrafen?, dachte Thomas. Lebt er noch? Und seine Leibwachen? Sie können doch nicht alle zu Albrecht übergelaufen sein?
Dass Rutger sich bei dem neuen Herrn gleich andient, überrascht mich nicht. Aber Reinhard, du Verräterseele! Der Boden müsste vor dir aufreißen und dich verschlingen!
Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen sah Reinhard völlig ungerührt auf die vier Knappen, die gerade aufgefordert worden waren, ihren Fürsten zu verleugnen.
Hartmut räusperte sich. Erst jetzt fiel Thomas auf, dass der alte Kämpe ziemlich grau im Gesicht aussah. Entweder ist auch ihm das Bier nicht bekommen, oder ihm ist hier irgendetwas sehr zuwider, dachte er.
Der Waffenmeister zwängte sich einen Schritt vor. Nun konnten die Knappen erkennen, dass sein rechter Arm mit Blut befleckt und der Kettenschutz aufgesprengt war.
»Ich habe versucht, euch Burschen etwas über ritterliche Ehre beizubringen«, sagte er ungewohnt milde. »Aber es ist nicht ehrenrührig, den Tatsachen ins Auge zu sehen und sie anzuerkennen. Albrecht ist kraft seiner Geburt der rechtmäßige Erbe der Mark Meißen. Wer dies nicht anerkennen wollte, hat heute Nacht mit Blut bezahlt. Ich bin vor euren Vätern für euer Leben verantwortlich. Also begeht keinen Fehler und tut, was Elmar euch befiehlt.«
Eine vollkommene Kapitulation, dachte Thomas bitter, um seine Besorgnis zu überspielen, unter denjenigen, die diese Nacht Blutzoll gezahlt hatten, könnte auch sein Freund Roland sein. Die halten sich ziemlich lange mit Erklärungen gegenüber ein paar Knappen auf. Ist wohl diese Nacht nicht alles so verlaufen wie geplant. Jetzt muss ich also doch von hier verschwinden, bevor ich zum Ritter ernannt werde.
Er vermied es, zu den drei Jungen hinter sich zu blicken – aus Furcht, sie könnten das missverstehen und sich zu irgendeiner Dummheit hinreißen lassen. Vielleicht wollte er auch einfach nicht ihre ratlosen Gesichter sehen. Er hatte keinen Rat für sie. Er wusste nur eines: Zu einem Treueeid gegenüber Albrecht würde er sich niemals zwingen lassen. Albrecht war der Mörder seines Vaters.
»Verzieht euch und lasst euch von Hartmut Aufträge erteilen!«, schnauzte Elmar.
Thomas drehte sich kurz um und gab den Jüngeren das Zeichen, dem Waffenmeister zu folgen. Als er selbst als Letzter gehen wollte, streckte Elmar einen Arm aus, um ihn aufzuhalten.
»Du nicht!«
Zu den beiden fremden Rittern gewandt, erklärte er: »Der da ist zu aufsässig, wie sich eben schon wieder gezeigt hat. Für den habe ich besondere Verwendung.«
Der größere der beiden Männer trat hinter Thomas, packte ihn an den Armen und stieß ihn vorwärts durch den Flur.
Aus dem Augenwinkel fing Thomas den entsetzten Blick von Johannes auf und versuchte, so gelassen wie möglich zu wirken. Doch bald hatte er Mühe, unter dem groben Griff des anderen nicht zu stolpern.
Die Gänge, durch die er geführt wurde, waren leer. Da und dort sah er Blutlachen auf dem Boden oder Schlieren an den Wänden. Es musste also gekämpft worden sein – und er hatte nichts davon mitbekommen! Gott allein wusste, wer alles in dieser Nacht sein Leben gelassen hatte.
Die fremden Ritter brachten ihn nicht wie befürchtet zum Bergfried, der bestimmt unter der Wachstube ein Verlies hatte. Am Ende eines Ganges weitab der Halle öffnete einer seiner Bewacher eine durch einen schweren Riegel verschlossene Tür. Thomas wurde in einen winzigen, fensterlosen und völlig leeren Raum gestoßen. Als ihn der größere der Ritter loslassen wollte, meldete sich Rutger zu Wort.
»Ich finde, die Dreistigkeit, den Rittern des Markgrafen mit der Waffe entgegenzutreten, sollte nicht ungestraft bleiben. Meint Ihr nicht auch?«
Die beiden Älteren grinsten; einer packte Christians Sohn sofort an den Armen und zog sie nach hinten.
»Damit du es weißt, Bastard: Ich bin für meine Tapferkeit und Entschlossenheit als Ritter in Markgraf Albrechts Dienste aufgenommen worden«, verkündete Rutger selbstgefällig. »Nun wirst
du
erleben, wie es ist, aus einer geächteten Familie zu kommen. Jetzt wird deine Sippe davongejagt. Aber vorher noch mache ich deine Schwester zu meiner Hure!«
Denn nichts anderes war sie, genau wie ihre Mutter. Sein Ziehvater hatte ihm erzählt, wie er und auch sein eigener Vater und ihre Freunde sich mit dieser Marthe vergnügt hatten. Huren – und dieser Christian war ein
Weitere Kostenlose Bücher