Der Fluch der Hebamme
»Ein paar funkelnde Münzen, im geeigneten Moment unter den Pöbel geworfen, haben noch nie ihre Wirkung verfehlt.«
Elmar grinste und zwirbelte die Spitzen seines Schnurrbarts hoch. »Sie werden Euch lieben, Durchlaucht! Und in Freiberg wird kein Hahn mehr nach Euerm Vater krähen.«
Während Albrecht und Elmar bereits in Vorfreude schwelgten, dass ihr Plan in Erfüllung gehen würde, stand Clara in der Kammer der Vögtin nackt in einem Bottich und fror. Die Mägde sollten sie unter Aufsicht der erneut in Safrangelb gewandeten Ida für die Hochzeit waschen, kleiden und ihr das Haar schmücken. Das allerdings zog sich in die Länge, weil zum einen der Bote mit dem Hochzeitskleid noch nicht eingetroffen war und zum anderen Ida ständig neue Belehrungen und Ermahnungen für die Braut fand.
Gleich beim ersten Hahnenschrei hatte die Frau des Vogtes ihr Getöse begonnen. »Auf, auf, meine Liebe! Du wirst heute verheiratet! Und du bekommst nicht nur einen stattlichen Mann – unser durchlauchtigster Fürst höchstselbst richtet die Feier aus. Welch große Ehre! Also komm, lass dich schmücken! Oder soll ich mir nachsagen lassen, ich hätte meine Pflichten vernachlässigt?«
Clara wusste, dass Ida es bei weitem nicht so gut mit ihr meinte, wie sie tat: Sie platzte bald vor Neid, dass nicht ihre eigene Tochter mit solchem Gepränge verheiratet wurde. Also peinigte sie Clara mit Worten, gegen die sie sich nicht wehren durfte.
Marthe war am gestrigen Abend trotz ihres Beharrens nicht mehr zu ihrer Tochter vorgelassen worden. Doch eine junge Magd, die am Morgen das Nachtgeschirr leerte, hatte Clara in einem unbeobachteten Moment einen wortlosen Gruß zugesteckt: das silberne Kreuz, das ihre Mutter sonst stets um den Hals trug, ein Geschenk von ihrem Vater.
Dass sich ihre Mutter von diesem Erinnerungsstück getrennt hatte, um ihr Mut zu machen, rührte Clara. Mögen Gott und alle Heiligen Thomas und Roland beistehen!, dachte sie, während sie Idas Wortschwall über sich ergehen ließ.
Schließlich hatte Clara es satt, zähneklappernd in dem Bottich zu stehen, nahm einer der Mägde das Handtuch ab, wickelte es sich um den Leib und stieg aus dem erkalteten Wasser.
»Sonst erfriere ich noch, ehe ich vor die Kirchentür trete«, bat sie die Frau des Vogtes um Verzeihung für ihre Eigenmächtigkeit. Immerhin war es erst Mai, und durch die dicken Mauern der Burg drang kein wärmender Sonnenstrahl.
Ida erstarrte für einen Moment und kniff kurz die Lippen zusammen.
»Genau das wird in deiner Ehe Schwierigkeiten bringen, meine Liebe!«, fauchte sie. »Gehorche und gib keine Widerworte, dann wird dein Mann dich auch nicht prügeln. Aber dir wird er erst Benehmen beibringen müssen. Deine Eltern haben dir viel zu viel durchgehen lassen! Und ich schätze, er hat eine feste Hand, dieser Reinhard!«
Clara setzte die von ihr erwartete betroffene Miene auf, während sie sich – immer noch ins Handtuch gewickelt – auf die Bettkante hockte und von der Magd die Füße abtrocknen ließ. Dabei überlegte sie, ob Reinhard sie tatsächlich schlagen würde. Sie konnte es nicht wissen, dafür kannte sie ihn viel zu wenig. Es galt als das gute Recht eines Mannes, seine Frau zu züchtigen, wenn ihm danach zumute war.
»Hat dich deine Mutter belehrt, was die Hochzeitsnacht betrifft?«, fragte Ida mit lauernder Stimme, als Marthes Tochter endlich Unterkleid, Beinlinge und Schuhe trug.
Aha, gleich zahlt sie mir heim, dass nicht ihre Tochter die Braut ist, dachte Clara, während sie scheinbar verlegen die Lider senkte. »Sie wollte es wohl gestern Abend tun. Aber man ließ sie ja nicht zu mir.«
Auch wenn sie noch unberührt war – eine Vorstellung davon, was im Brautbett geschehen würde, besaß sie schon. Immerhin hatte sie mehr als ein Dutzend Kinder auf die Welt geholt. Allein die Verwünschungen der Kreißenden mit allerlei deftigen Einzelheiten und ihr Geschrei, für diesen Bock von einem Kerl nie wieder die Beine breit zu machen – um dann ein Jahr später erneut in die Wehen zu kommen, sofern sie nicht am Kindbettfieber starben –, sagten genug. Aber das behielt Clara lieber für sich.
»Dann liegt es also an mir, dich zu unterweisen«, erklärte Ida mit unüberhörbarer Genugtuung. Sie klatschte in die Hände und scheuchte alle hinaus.
Mindestens doppelt so dick wie Marthes Tochter, die immer noch auf dem Bett saß und zu ihr aufsah, baute sie sich vor ihr auf und hob den pummligen Zeigefinger.
»Also, meine Liebe!
Weitere Kostenlose Bücher