Der Fluch der Makaá
Mir lief allein bei dem Gedanken an einen leckeren Apfel oder an eine saftige Birne das Wasser im Mund zusammen. Seit Tagen ernährten wir uns nur von hartem Brot, Käse und Zwieback, dazu lauwarmes Wasser. Zu gerne hätte ich für die Makaá sämtliche Äpfel gepflückt, wenn es hier oben auf dem Plateau welche gegeben hätte. Aber Äpfel waren nicht das, wonach wir suchten.
Wie abgemacht brachen Mateo und Oliver nach dem Frühstück in die eine Richtung auf und Robert und ich in die andere. Die Höhenluft war frisch und klar, und es machte beinahe Spaß, zwischen den Felsen herumzukraxeln und über schmale Klüfte zu springen.
„Wir müssen trotzdem vorsichtig sein“, ermahnten Robert und ich uns immer wieder gegenseitig, wenn wir der Ansicht waren, der andere wurde zu übermütig.
„Weißt du, was mich total froh macht?“, rief Robert mir zu, während er auf einer Steingrimasse balancierte. „Dass wir ganz nah am Ziel sind!“
„Woher willst du das wissen?“, rief ich zurück. „Das haben die Makaá doch selbst gesagt:
Des weichen Kernes harte Schale
Weist euch die letzten Schritte
zu den Hallen, in unsere Mitte .
Verstehst du: die letzten Schritte. Und Schritte sind gut, weil sie nicht so weit reichen. Ich glaube, die geheimen Hallen sind ganz nah.“ Er blieb ganz ruhig stehen. Beinahe sah er so aus als würde er lauschen – als ob er den Ruf der Hallen bereits hören konnte!
Ich wiegte abschätzend den Kopf. „Ich bin mir da nicht so sicher“, gab ich zu bedenken. „Die Rede war auch davon, dass die Hallen weder auf dem Berg noch im Tal sind. Vielleicht sind es doch einige Schritte mehr, die wir machen müssen, um sie zu finden.“
Robert runzelte die Stirn. Dann zuckte er mit den Achseln. „Sie haben Schritte gesagt“, murmelte er noch einmal zuversichtlich vor sich hin.
„Hör zu“, rief ich aufmunternd. „Lass uns eins nach dem anderen machen. Wir müssen zu allererst diese harte Schale finden. Und danach sehen wir weiter, in Ordnung?“
„Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht!“, entgegnete Robert lächelnd. „Und ich glaube, ich weiß jetzt, wonach wir suchen müssen.“
„Ernsthaft? Na, sag schon!“
„Harte Schale, weicher Kern – ein Ei“, verkündete Robert und lächelte noch breiter.
„Ein Ei?“, wiederholte ich wenig begeistert. Ein leiser Wind pfiff um unsere Ohren, aber von Vogelgezwitscher, nein, da war nichts zu hören. „Ich glaube nicht, dass es hier oben Vögel gibt, Robert“, warf ich langsam ein.
„Es muss ja auch nicht von einem Vogel sein“, entgegnete Robert überlegen. „Es kann ja auch ein Ei von einem Leguan sein, die gibt es hier – oder von einem Dinosaurier!“
Mateo hatte uns beim Aufstieg davon berichtet, dass die Natur auf den Tafelbergen seit Urzeiten endemisch abgeriegelt ist, und dass es Pflanzen und Tiere gibt, die nur hier leben und nirgendwo sonst auf der Welt. Tatsächlich wird gemunkelt, es gäbe Dinosaurier auf den Tepuys, und es waren die Tafelberge Venezuelas, die sogar die Anregung zur Geschichte über die Vergessene Welt gegeben hatten. Das hatte Mateo gesagt und ich hatte es ebenso in meiner Reisebroschüre gelesen – aber das waren doch nur Märchen. „Ich glaube nicht, dass es hier Dinosaurier gibt“, äußerte ich meine Zweifel.
„Ich auch nicht – aber es wäre verdammt cool und total hammermäßig“, grinste Robert. „Los, Mel, grübeln wir nicht weiter darüber nach: lass uns Ostereier suchen.“
Wir beschlossen, noch etwa drei Stunden auf unserer Hälfte des Tafelberges zu suchen und dann hinüber zu Oliver und Mateo zu laufen, um ihnen den Tipp mit dem Ei zu geben, falls sie noch nicht selbst darauf gekommen waren. In dieser Zeit drehten wir Hunderte von Steinen um, blickten in die Facetten tausender Kristalle und suchten zwischen den scharfen Blättern wilder Büsche, bis Robert schließlich vor einer schroffen Felswand zu stehen kam und erstaunt hinaufblickte. „Was ist los?“, rief ich zu ihm hinüber. „Hast du einen Dinosaurier entdeckt?“
„Quatsch“, entgegnete er. „Aber es gibt hier Vögel! Ich habe gerade etwas flattern sehen“, dann begann er hinaufzuklettern.
„Pass bloß auf!“, mahnte ich ihn und lief zu der Felswand. Sie war recht hoch und sehr glatt. Und Robert war schließlich nicht Oliver!
„Keine Sorge“, ächzte Robert, und zog sich immer weiter in die Höhe. „Siehst du den Felsvorsprung dort oben – da müssen ihre Nester sein. Bleib unten, Mel. Ich
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