Der Fluch der Makaá
doch es war besser als nichts.
Nach weiteren geschätzten hundert Metern wurde der Untergrund plötzlich geröllig, und wir brauchten mitunter unsere Hände, um diesen Abschnitt zu überwinden. Eine eklige Masse blieb dabei an unseren Fingern kleben. Wir ahnten, was es war.
„Woher wissen wir eigentlich, wohin wir gehen müssen?“, fragte Oliver plötzlich.
„Bislang haben wir ja noch keine große Wahl gehabt“, entgegnete Bley. „Die abzweigenden Gänge waren alle entweder verschüttet oder nicht begehbar. Ich würde vorschlagen, wir folgen einfach dem Pfad so weit es geht. Habt ihr gewusst, dass Alexander von Humboldt als erster diese Höhle erforscht hat? Heute weiß man, dass er bis auf 500 Meter in das Innere vorgedrungen ist – das sind etliche Kilometer im Gangsystem der Höhle – und er wäre noch weiter gegangen, wenn seine Mitstreiter nicht solche Weicheier gewesen wären.“
Natürlich hatten wir es nicht gewusst und es interessierte uns im Moment auch herzlich wenig. Doch es beruhigte, eine menschliche Stimme zu hören, in einer solchen Umgebung, in der das Dunkel nur durch den schwachen Schein zweier Taschenlampen durchbrochen wurde, und in der es aus sämtlichen finsteren Winkeln entweder piepte, fiepte oder sogar kreischte. „Irgendeine dieser Kammern ist sogar nach ihm benannt“, fuhr Bley fort. „Und wer weiß, vielleicht sogar gerade die, durch die wir laufen!“ Nach einigen Minuten gesellte sich ein Rauschen zu dem Lärm der Jungtiere. „Das hört sich nach fließendem Wasser an“, unterbrach Robert, und er behielt beinahe recht: Es war ein Bach. Nicht gerade breit, doch er strömte mit hohem Tempo durch die Höhlenkammer. Zu beiden Seiten türmten sich die Nester der Guácharos, und was war das für ein Geschrei, als die grellen Strahlen unserer Taschenlampe die Vögel trafen! Aufgeschreckt durch das Licht starteten die kleinen Tiere plumpe Flugversuche, wobei sie wie Gummibälle in ihren Nestern auf und ab hüpften. Je näher wir kamen, desto schriller wurden ihre Schreie, ja, und wenn es nur dabei geblieben wäre! Die Tiere wurden überdies auch noch angriffslustig und versuchten, mit ihren harten Schnäbeln nach uns zu hacken. Sie setzten uns wirklich zu!
„Am besten, wir überqueren den Bach hier“, schlug Bley vor. „Tief wird er nicht sein, dafür ist das Ufer nicht steil genug.“
Im Schein unserer Taschenlampen zitterte das Wasser dunkel und gespenstisch, von einer Untiefe war nichts zu erkennen. Das Rauschen glich einem überirdischen Flüstern, das durch die hohen Deckenwölbungen der Höhlenkammer tausendfach nachhallte; es war Lockung und Drohung zugleich. Ich beleuchtete mit meiner Lampe das steinige Ufer. Ein schmaler Pfad führte am Bach entlang. Zwar konnte der Lichtstrahl die Dunkelheit der Kammer nicht in voller Länge durchdringen, doch es schien als müsste dieser Weg geradewegs in die nächste Kammer führen. Natürlich wimmelte es auch hier von nichtflüggen Fettvögeln.
Wieso , fragte ich mich plötzlich, will Bley an das andere Ufer? Mir fiel auf, dass er schon die ganze Zeit recht zielstrebig die Höhle durchschritten hatte! Selbst das eine oder andere Mal, als er beinahe auf dem glitschigen Grund ausgerutscht war, konnte bei genauer Überlegung auch ein geschicktes Täuschungsmanöver sein. Bley hatte wohl einen Plan, der vorsah, dass wir diesen Fluss überquerten. Ich leuchtete unserem selbsterklärten Höhlenführer, der mit dem Rücken zu uns stand, an und betrachtete ihn. Wie wird das bloß enden? , dachte ich im Stillen.
Bley beugte sich ein wenig vor und begutachtete die felsige Böschung. Dabei verschob sich sein Hemd und entblößte einen kleinen, schwarzen Knauf, der in seinem Gürtel steckte. Ich schluckte. Bley trug eine Waffe! Es musste eben jene Waffe sein, über die sich Mateo und Bley in dem Hotelzimmer in El Callao unterhalten hatten. Ich kniff die Augen zusammen. Etwas musste unternommen werden. Keinen Schritt weiter würde ich meine Brüder diesem Mann folgen lassen. Oh ja, Bley hatte tatsächlich einen Plan! Doch diesen würde ich ihm schön durchkreuzen. Bley hatte uns zu der Höhle geführt. Wir hatten ihn gebraucht. Doch nun war Schluss.
Während Bley sich dem Wasser näherte, gab ich meinen Brüdern ein unauffälliges Zeichen. „Bleibt dicht bei mir und tut, was ich sage“, raunte ich ihnen zu. Bley versuchte sich die geröllige Böschung hinunterzuhangeln, wurde dabei jedoch arg von den harten Schnäbeln der Jungtiere
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