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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Ausläufer des Orinoco“, erklärte Bley. „Einige seiner unzähligen Wasserarme. Das ganze Schwemmland des Orinoco-Deltas ist so riesig, dass es nur noch vom Delta des Amazonas übertroffen wird: 40 000 km² – könnt ihr euch das vorstellen?“ „Wir sind vor kurzem darüber hinweggeflogen“, erwiderte Oliver leise. „Wirklich?“, rief Bley erfreut, doch dann schien er sich zu erinnern und nahm sich zurück. „Ach ja, ich vergaß“, sagte er und ein Moment peinlicher Stille entstand. „Trotzdem“, versuchte Bley ein neues Gespräch aufzubauen. „Es ist immer etwas anderes, ob man etwas von oben oder von unten sieht. Ich möchte fast wetten, dass es ein intensiveres Erlebnis ist, den Orinoco live zu erleben als nur von oben.“ „Intensiver als ein Flugzeugabsturz?“, entgegnete ich zynisch. Es verstrichen ein paar Sekunden peinlicher Stille. Dann seufzte Bley tief. „Ihr müsst entschuldigen, wenn ich ein wenig unsensibel rüberkomme. Das ist überhaupt nicht meine Absicht, das müsst ihr mir glauben. Aber ihr macht es mir heute verdammt schwer, wisst ihr? Ihr redet nicht mit mir, zieht lange Gesichter. Ihr tut ja gerade so, als sei ich daran schuld, dass euer Indianer nicht mehr da ist, aber das bin ich nicht! Eigentlich müsste ich euch Löcher in den Bauch nach ihm fragen, denn ihr ward doch so gut mit ihm befreundet! Langsam frage ich mich, warum ich euch nicht an der nächsten Bushaltestelle rauswerfen sollte. Dann könnte ich endlich wieder meinen Urlaub genießen! So macht das doch keinen Spaß!“ „Es war nie ein Spaß für uns“, entgegnete ich scharf, doch das ärgerliche Zischen auf der Rückbank – das „Mensch, Mel!“ – hielt mich im Zaum, und ich versuchte sofort zu beschwichtigen. „Aber gut. Tun wir doch so, als hätte Mateo einen wichtigen Grund gehabt, und dass ihm einfach keine Zeit geblieben ist, uns oder dir Bescheid zu sagen, einverstanden? Es lässt sich nun eh nicht mehr ändern. Sind wir wieder Freunde?“ „Freunde“, bestätigten alle und wir konnten endlich in Ruhe weiterfahren. „Du, Bley“, flüsterte Oliver ein wenig später von der Rückbank. „Du hättest uns nicht wirklich irgendwo an einer Bushaltestelle rausgeworfen, oder?“ Bley lachte über das ganze Gesicht. „Nein, hätte ich nicht“, flüsterte er zurück und dann rief er: „Seht doch: Wir sind bereits mitten im Orinoco-Delta! Vor uns liegt die Ciudad Guyana. Wenn wir Glück haben, erwischen wir noch die letzte Fähre bevor es dunkel wird. Lasst uns die Daumen drücken!“

W ir erwischten die letzte Fähre, ein breites, irgendwie müde und träge aussehendes Schiff, das auf seinem großen Rücken und in seinem dicken Bauch jede Menge Autos und Menschen auf die andere Seite des Orinocos trug.
    Bley bezahlte unsere Tickets. Wir stellten das Auto auf dem zugewiesenen Platz ab und kletterten die Stiegen nach oben auf das Deck, von wo wir einen guten Blick über den breiten Fluss hatten, über den sich ganz sachte und lautlos die Abenddämmerung senkte. Ein kühler Wind wehte uns um die Nase und hielt die Mücken fern.
    Als wir auf der anderen Uferseite ankamen, zwinkerten bereits die ersten Sterne am Himmel. Die Autos verließen eins nach dem anderen die Fähre und verloren sich allmählich im Verkehr. Bley folgte dem Highway 10, der in Richtung Norden führte. Schließlich hielten wir in einer Siedlung an.
    Das Dorf, dessen Name mir aufgrund seiner Unaussprechlichkeit schon wieder entfallen ist, wurde von Warao-Indianern bewohnt und schmiegte sich harmonisch an einen der Seitenarme des Orinoco. Die Wellen klatschten beruhigend an die Kanus, die an den Stegen befestigt waren.
    Eine Indianerin mit gutmütigem Gesicht und kleiner, kompakter Figur wies uns den Weg zu einer Hütte, die Gästen zur Verfügung stand. Diese unterschied sich insofern von den Rundhütten, die wir in der Gran Sabana kennen gelernt hatten, als sie auf Pfählen stand und vier Pfeiler hatte, die das spitz zulaufende Strohdach trugen. Wände gab es nicht und der Raum war nach allen Seiten offen.
    In der Mitte brannte ein Feuer, um das bereits zwei Menschen saßen. Rucksacktouristen. Wir grüßten und bekamen ein Nicken als Antwort. Es schienen wohl Italiener zu sein, ein junges Pärchen, das seinen Urlaub etwas anders als nach dem Katalog zu planen gedachte. Aufgrund der Verständigungsschwierigkeiten kam kein Gespräch zustande, und ich glaube, dies war allen recht.
    Wir aßen etwas, nämlich das, was aus der Tüte noch

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